Neurodermitis erkennen

Neurodermitis ist eine chronische, nicht ansteckende Hauterkrankung, die etwa 15 % der Kinder und ca. 3 % der Erwachsenen betrifft. Typische Anzeichen sind starker Juckreiz und Hautausschlag. In manchen Fällen mindern die Symptome die Lebensqualität. Doch eine phasengerechte Hautpflege, das Vermeiden von Reizstoffen und Triggern sowie ein adäquates Stressmanagement reduzieren die Beschwerden, sodass ein normales Leben möglich ist.

Lesen Sie in diesem Beitrag alles Wissenswerte zur Volkskrankheit „Neurodermitis“ und erfahren Sie Fakten über Entstehung, Auslöser, spezielle Behandlungsmethoden und bewährte Therapieverfahren.

 

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Was ist Neurodermitis?

Neurodermitis ist eine nicht ansteckende Hauterkrankung aus dem "atopischen Formenkreis". Auch Asthma und Heuschnupfen fallen in diese Kategorie. Deshalb treten diese Erkrankungen oftmals gleichzeitig oder nacheinander im Laufe des Lebens auf. Neurodermitis wird im Fachjargon als „atopisches Ekzem“ bezeichnet.

Das atopische Ekzem zählt zu den chronischen Erkrankungen, die entweder lang andauern oder in Phasen immer wieder aufflammen. Sehr typisch für chronische Krankheiten ist, dass sie keinen eindeutigen Initialpunkt haben, sondern sich schleichend entwickeln.

Die Bezeichnung „Neurodermitis“ hat sich bis heute gehalten. Sie stammt aus dem 19. Jahrhundert, als Wissenschaftler vermuteten, dass die Hauterkrankung eine Nervenentzündung sei. Die Symptome wurden damals als Folge einer psychischen Erkrankung gesehen. Mittlerweile ist erwiesen, dass das atopische Ekzem vielmehr immunologische und genetische Faktoren als Ursache hat.

 

Ursachen für Neurodermitis

Genetik und Immunologie

Die genauen Ursachen, wie eine Neurodermitis entsteht, sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Jedoch wird eine Disposition (Veranlagung) vererbt. So liegt die Wahrscheinlichkeit an Neurodermitis zu erkranken bei 40 %, wenn ein Elternteil darunter leidet. Sind beide Elternteile betroffen, so liegt das Erkrankungsrisiko bei 80 %. Grund ist ein genetischer Defekt, der zu einer Stoffwechselstörung führt. Infolgedessen kommt es zu einer Veränderung der essenziellen Fettsäuren, sodass die natürliche Schutzbarriere geschwächt wird.

Die Haut besteht aus Oberhaut, Lederhaut und Unterhaut. Besondere Bedeutung bei der Entstehung von Neurodermitis hat die Oberhaut, die wiederum aus Basalschicht, Stachelzellschicht und Hornschicht besteht. Die Hornschicht wird aus Hornzellen gebildet, die durch Hornfette besonders stabil und dicht werden und deshalb eine effektive Barriere gegen Umweltfaktoren bilden.

Durch Talg, Schweiß und abgestoßene Hornzellen wird auf der Hornschicht ein sogenannter Hydrolipidfilm gemischt. Dieser ist leicht sauer und tötet dadurch Bakterien oder Pilze vor dem Eindringen ab.

Bei Menschen mit Neurodermitis ist die Funktion der Hornschicht gestört. Grund ist eine Abnahme der Filaggrin-Produktion. Dieses Eiweiß spielt bei der Bildung der Zellen in der Oberhaut eine essenzielle Rolle. Aufgrund des Mangels ist die Zusammensetzung der Hornfette, die die Hornzellen zusammenhalten, verändert. Infolgedessen verliert die Haut zu viel Flüssigkeit und ist anfälliger für Reizstoffe, Allergene und Keime. Diese wiederum führen beim Eindringen zu einer Immunantwort und eine Entzündung in der Haut.

Ein Teufelskreis beginnt. Denn durch die Entzündungen wird die Haut rau, schuppig, rissig und gerötet. Das führt wiederum zu Juckreiz und Spannungsgefühl, was von den Betroffenen durch Kratzen beantwortet wird. Diese Kratzer in der Oberhaut lassen noch mehr Allergene und Reizstoffe in die ohnehin geschädigte Hautschicht eindringen.

 

Bei fast 50 % der Betroffenen ist eine Komorbidität zu beobachten. Sie leiden beispielsweise unter Allergien oder Asthma. Das lässt Wissenschaftler schließen, dass die Immunantwort bei Menschen mit Neurodermitis ebenfalls gestört ist.

 

Hygiene-These

Bis vor wenigen Jahren kursierte noch die These, dass Säuglinge, die in Großstädten aufwachsen, erst sehr spät und auch nur in sehr geringem Umfang mit Krankheitserregern in Kontakt kommen im Gegensatz zu Säuglingen in ländlichen Regionen, die Kontakt zu Tieren und Pflanzen haben. Dadurch soll das Immunsystem der Großstadt-Säuglinge unterfordert sein und dann auf normale Reize mit einer Immunantwort reagieren.

Diese These zur Entstehung von Neurodermitis oder Allergien ist mittlerweile wissenschaftlich widerlegt.

  • Es ist zu bedenken, dass in Großstädten mehr Menschen leben und dadurch die Wahrscheinlichkeit höher ist, ein Elternteil mit Neurodermitis zu haben und infolgedessen auch ein atopisches Ekzem zu entwickeln.

  • Zudem ist die Belastung der Luft in Großstädten oftmals um ein Vielfaches höher als in ländlichen Gegenden. Bei vielen Betroffenen sind Umweltfaktoren wie Staub oder Smog Trigger, die Neurodermitis verstärken können.

  • Aber: Die Waschgewohnheiten haben sich in der westlichen Welt stark verändert. Diese führen nicht selten zu einer Schädigung der Hautbarriere und der Hornschicht, was die Symptome bei einer bestehenden Neurodermitis verschlechtern können.

 

Neurodermitis durch Impfungen

Auch die Theorie, dass durch eine Impfung Neurodermitis entsteht, konnte durch zahlreiche Studien widerlegt werden. Es ist bei genetischer Disposition sogar sinnvoll, Kinder beispielsweise gegen Windpocken impfen zu lassen, da die Erkrankung bei Kindern mit Neurodermitis weitaus schwerwiegender verlaufen kann.

 

Neurodermitis und Stillen

Bei etwa 80 % der Erkrankungen zeigen sich die ersten Symptome zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat. Wissenschaftler sprechen sich deshalb dafür aus, Säuglinge die ersten 6 Monate zu stillen. Grund sind die in der Muttermilch enthaltenen Immunglobuline, die das Immunsystem positiv aktivieren. Bei gestillten Kindern kann dadurch das Risiko, trotz genetischer Komponente an Neurodermitis zu erkranken, gesenkt werden.

 

Was löst Neurodermitis aus?

Wenn Sie eine genetische Disposition für Neurodermitis in sich tragen, dann können verschiedene Trigger zu einem Schub führen. Diese Auslöser sind jedoch sehr individuell.

 

Zu den häufigsten Auslösern für Neurodermitis zählen:

  • bestimmte Textilien (Wolle, Synthetik)

  • Schwitzen

  • starke Temperaturschwankungen und Wechsel der Luftfeuchtigkeit

  • Verwendung reizender Hautpflegeprodukte oder Kosmetika

  • langes Tragen von Gummi- oder Vinylhandschuhen

  • Rauchen

  • Allergien gegen Haustaubmilben, Schimmelpilze, Pollen, Tierhaare, Nahrungsmittel oder Zusatzstoffe

  • Infektionen (Herpes, Scharlach)

  • psychische Belastungen

  • Hormone (Pubertät, Menopause, Menstruation)

 

Bei der Behandlung von Neurodermitis liegt das Augenmerk darauf, die Anzahl und die Intensität der Schübe zu reduzieren. Deshalb ist es für Betroffene wichtig, die Provokationsfaktoren zu kennen. Nur durch die konsequente Vermeidung oder die Reduktion kann der Krankheitsverlauf langfristig positiv beeinflusst werden.

 

Neurodermitis erkennen

Allgemeine Symptome bei Neurodermitits

Typisch für eine Neurodermitis Erkrankung sind entzündliche Hautveränderungen, verbunden mit quälendem Juckreiz. In der Regel treten die Symptome schubweise auf und wechseln sich mit beschwerdefreien Phasen ab.

 

Die Symptome können bei den Betroffenen stark variieren. Während bei manchen Menschen die Erkrankung relativ mild verläuft, leiden andere unter heftigsten Beschwerden. Das Alter spielt zudem eine Rolle bei der Intensität der Leitsymptome, aber auch bei der Lokalisation.

 

 

Typisch für Neurodermitis ist die Bildung rauer schuppiger Stellen

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Spezielles Vorkommen bei Säuglingen und Kleinkindern

In der Regel erkranken Säuglinge im ersten Lebensjahr an einem atopischen Ekzem. Die bevorzugten Stellen in den ersten Wochen sind das Gesicht und die behaarte Kopfhaut. Dort bildet sich gelb-weiße Kruste auf roter Haut, was zu dem Namen „Milchschorf“ führte. Doch Milchschorf allein ohne andere Symptome ist kein Anzeichen für ein atopisches Ekzem. Denn die Hautveränderungen nässen und jucken, in den folgenden Wochen kommen andere Symptome hinzu.

Mit zunehmendem Altem bilden sich Beugeekzeme an den Armen und Beinen. Diese Hautveränderungen in den Falten der Kniekehlen, Ellenbogen und Handgelenken sind gerötet, schuppig und krustig. Die betroffene Haut nässt, ist aber dennoch trocken und juckt. Oftmals ist auch ein nässendes Ekzem im Mundbereich zu beobachten

Im weiteren Verlauf verdickt sich die Haut an den betroffenen Stellen, was im Fachjargon als „Lichenifikation“ bezeichnet wird. Das Hautbild wird zudem grob und die Hautfarbe verändert sich.

 

Neurodermitis bei Erwachsenen erkennen

Bei etwa 50 % der Betroffenen bildet sich die Neurodermitis im Schulalter, spätestens bis zu Pubertät vollständig zurück. Laut aktuellen wissenschaftlichen Stands leiden 10 Jahre nach dem ersten Schub nur noch 20 % der Betroffenen unter Neurodermitis. Doch in einigen Fällen bekommen auch Erwachsene noch Neurodermitis Schübe.

Bei älteren Menschen verläuft Neurodermitis oftmals schwerer als bei Kindern. Zudem ist eine symptombezogene Abhängigkeit zu beobachten: Menschen, die beruflich meistens Handschuhe tragen, entwickeln Neurodermitis an den Händen. Personen, die viel Staub ausgesetzt sind, entwickeln Ekzeme vorrangig im Gesicht.

Doch generell sind bei Jugendlichen und Erwachsenen bestimmte Hautareale bevorzugt betroffen. Hierzu zählen vor allem Augen-, Stirn- und Mundpartie, Nacken, Brust-Schulter-Gürtel, Ellenbeugen, Kniekehlen sowie Handgelenke und Handrücken.

Diese Stelle sind trocken, rot und jucken sehr stark. Besonders nachts, bei Wärmeexposition, verstärken sich die Symptome, sodass viele nicht schlafen können. Infolgedessen treten manchmal auch Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Depressionen oder Aggression zu Tage.

 

Allgemeine Therapien bei Neurodermitis

Neurodermitis ist zwar nicht heilbar, jedoch kann das Ausmaß der Symptome durch gezielte Therapie gelindert werden. Die wichtigsten Pfeiler der Neurodermitis Behandlung sind Hautpflege, Hautreinigung sowie Medikamente.

 

Neurodermitis und Hautpflege

Die Basistherapie ist das A und O bei der Neurodermitis Behandlung. Rückfettende und feuchtigkeitsbindende Cremes sollten mindestens zweimal täglich aufgetragen werden. Inhaltstoffe wie Harnstoff, Glycerin, Ceramide oder Panthenol helfen, Feuchtigkeit zu binden und Juckreiz zu lindern. Am besten geben Sie die Creme nach dem Duschen auf die noch feuchte Haut.

Verzichten Sie auf Melkfett, Vaseline, pures Öl sowie Kosmetika mit Konservierungs-, Duft- und Farbstoffen oder Emulgatoren.

Bei starkem Juckreiz haben sich auch Hausmittel gegen Neurodermitis bewährt: kühle, feuchte Umschläge zur Linderung oder ein Vollbad mit Haferstroh.

 

Hautreinigung

Gewöhnliche Seifen, Duschgele und Shampoos enthalten eine Vielzahl an Stoffen, die Neurodermitis begünstigen können. Verzichten Sie daher auf diese und kaufen Sie gezielt Neurodermitis Produkte, um den Feuchtigkeitsverlust beim Reinigen zu minimieren.

 

Medikamente

Im akuten Schub können Sie den Juckreiz und die Entzündung mit kortisonhaltigen Salben behandeln. Doch auch, wenn eine Kortisontherapie nicht in Frage kommt, beispielsweise bei Kindern unter 2 Jahren, bei der Anwendung im Gesicht und Halsbereich oder bei ausbleibendem Therapieerfolg mit Kortison, gibt es Medikamente, die im Schub angewendet werden. Als Creme oder Salbe aufgetragen sind Pimecrolimus und Tacrolimus zur Neurodermitis Therapie zugelassen, um den Juckreiz zu lindern und die Entzündung abklingen zu lassen.

 

Spezielle Behandlungsmöglichkeiten

Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppressiva) oder Allergiemedikamente (Antihistaminika) sind nicht zur Behandlung von Neurodermitis geeignet. Mittlerweile weiß man auch, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine, Zink, Nachtkerzenöl oder Borretsch-Öl sich als nicht wirksam erwiesen haben. Auch Lasertherapien oder Hyposensibilisierungen werden von Fachärzten zur Neurodermitis Therapie nicht empfohlen.

 

Neurodermitis und Ernährung

Hingegen lassen sich die Schübe durch eine adäquate Ernährung positiv beeinflussen. Zwar gibt es keine Neurodermitis-Diät, jedoch reagieren manche Betroffenen mit akuten Schüben, wenn sie viel Kaffee, Alkohol oder scharfe Gewürze konsumieren. Andere wiederum leiden unter einer Nahrungsmittel-Allergie, deren Verzehr einen akuten Schub verschlimmern kann.

Deshalb sollten Sie in jedem Fall auf Trigger und Allergene achten und diese von Ihrem Speiseplan streichen.

 

Neurodermitis und UV-Licht

Eine sogenannte Lichttherapie kann bei Neurodermitis die Schübe lindern. Der Dermatologe bestrahlt dabei die betroffenen Hautstellen, was die Entzündungszellen in der Haut hemmt.

Ein Urlaub am Meer, wo Salzwasser und UV-Licht auf die Haut treffen, kann ein Segen für Menschen mit Neurodermitis sein. Auch im Gebirge, wo die Luft frei von Pollen und anderen schädigenden Allergenen ist, bewirkt oftmals Besserung.

 

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Fazit

Neurodermitis ist eine chronische, nicht entzündliche Hauterkrankung, die durch rote, schuppige und nässende Ekzeme und starken Juckreiz gekennzeichnet ist. In den meisten Fällen erkranken Betroffene im Säuglingsalter an dem atopischen Ekzem. Bei den meisten Menschen verschwindet die Erkrankung im Laufe des Lebens wieder.

Die Ursachen der Krankheit sind bislang noch nicht eindeutig geklärt. Aber eine genetische Komponente sowie ein überreiztes Immunsystem sind bei allen Menschen mit Neurodermitis auszumachen. Bestimmte Trigger, beispielsweise Stress, Klimaveränderung oder Hormone, führen zu einem Schub.

Die Zeit, in denen die Neurodermitis Schübe das Leben bestimmen, ist für viele Betroffene eine Qual. Mit der richtigen Hautpflege, einer phasenadaptierten Kortisontherapie und einem guten Stressmanagement können die Symptome jedoch so weit gelindert werden, dass die Lebensqualität wieder steigt.

 

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