Neurochirurgie

Was ist Neurochirurgie?

Die Neurochirurgie ist das jüngste Teilgebiet der Chirurgie und beschäftigt sich mit der Diagnose und operativen Therapie von Erkrankungen, Fehlbildungen und Verletzungen des zentralen und peripheren Nervensystems.

Bereits in der Jungsteinzeit wurden sogenannte Trepanationen durchgeführt.

Skelettfunde beweisen, dass Schädeldach-Bohrungen stattfanden und die Menschen überlebten. Seit den 1970er Jahren führen spezielle Neurochirurgen diese Maßnahmen, aber auch andere kurative oder rehabilitative Eingriffe in speziellen Zentren durch.

Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, was die Neurochirurgie leistet, welche Behandlungen sie abdeckt und wann Sie überhaupt einen Neurochirurgen aufsuchen sollten, dann lesen Sie weiter.

 

Der Fachbereich Neurochirurgie

Fachärzte und Kliniken für Neurochirurgie

Die moderne Neurochirurgie entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, fiel jedoch unter den allgemeinen Bereich der Chirurgie.

Um 1900 entwickelten einige namhafte Hirnchirurgen spezielle Methoden und Instrumente, mit denen es möglich war, die Sterblichkeitsrate bei den operativen Eingriffen von 90 % auf unter 10 % zu senken. Doch erst seit 1970 wird das Fachgebiet „Neurochirurgie“ anerkannt.

 

Fachärzte für Neurochirurgie

Deutschland weist im Gegensatz zu vielen anderen Ländern eine hohe Facharztdichte auf.

Pro 45.000 Einwohner gibt es etwa 1 Neurochirurgen, Tendenz steigend. Jährlich erhalten durchschnittlich 92 Mediziner die Zulassung, als Neurochirurg arbeiten zu dürfen. Bis 1990 waren fast 90 % der Neurochirurgen im stationären Bereich tätig, was Ausdruck der wachsenden Zahl an neurochirurgischen Abteilungen in Krankenhäusern war.

Mittlerweile arbeiten nur noch etwa 70 % der Neurochirurgen in Kliniken, etwa 28 % sind niedergelassene Fachärzte. Der Rest verteilt sich auf Behörden, Sozialversicherungsträger, Versorgungsämter, die Forschung oder die Bundeswehr.

Um den Titel „Neurochirurg“ zu erlangen, bedarf es einer zusätzlichen, sechsjährigen Ausbildung nach dem abgeschlossenen Medizinstudium.

Die genauen Richtlinien für die Facharztweiterbildung legt die zuständige Landesärztekammer fest. Üblich in allen Bundesländern ist jedoch eine mindestens vierjährige Tätigkeit im Krankenhaus in den Abteilungen Neurologie, Neuropathologie oder Neuroradiologie, Anästhesiologie und neurochirurgische Intensivstation.

 

Kliniken für Neurochirurgie

Es gibt viele Gründe, warum die meisten Neurochirurgen in einer Klinik arbeiten. Zum einen sind die Kosten für eine Praxisgründung enorm, denn die technische Grundausstattung umfasst einige extrem teure Geräte.

Daher liegen die Preise für eine Praxisgründung teilweise weit über 1,2 Millionen Euro.

Zum anderen verfügen viele Kliniken mittlerweile über eine eigene Fachabteilung für Neurochirurgie. Aufgrund der höheren Lebenserwartung in der Bevölkerung werden altersspezifische Erkrankungen, darunter auch neurochirurgisch relevante, zunehmen und einen hohen Bedarf an Neurochirurgen im Krankenhaus begründen.

Neue Innovationen in den Bereichen Diagnose und Behandlung wie auch neue Indikationen sind in einer Klinik für Neurochirurgie weitaus einfacher umzusetzen als in einer Praxis.

Auf Krankenhaus.de können Sie ganz einfach Kliniken finden, die über die Fachabteilung Neurochirurgie verfügen.

Alle Kliniken mit dieser Fachabteilung finden Sie hier.

 

Wann geht man zum Neurochirurgen?

In der Regel suchen die wenigsten Menschen direkt einen Neurochirurgen auf.

Meist geht eine Erkrankung wie ein Tumor oder eine Verletzung wie eine Rückenmarksquetschung voraus. Dann erfolgt die direkte Behandlung in einer neurochirurgischen Klinik.

Wenn verschiedene Fehlbildungen des Nervensystems, beispielsweise Hydrocephalus oder Spina bifida, vorliegen oder psychochirurgische Eingriffe, zum Beispiel im Rahmen einer Epilepsie- oder Parkinson-Behandlung, notwendig sind, dann werden Betroffene auch manchmal an einen niedergelassenen Neurochirurgen überwiesen.

Ambulanzen in einer Fachklinik für Neurochirurgie sind Schnittstellen zwischen der stationären und ambulanten Versorgung und behandeln vor allem Patienten mit funktionellen Störungen wie Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen.

 

Welche Aufgaben hat ein Neurochirurg?

Ein Facharzt für Neurochirurgie ist zuständig für die Diagnostik, die operative Behandlung und die Rehabilitation von Erkrankungen, Fehlbildungen und Verletzungen des zentralen und peripheren Nervensystems.

Die Neurochirurgie zählt aufgrund der Vielseitigkeit und der Komplexität zu den anspruchsvollsten und speziellsten Fachgebieten der Medizin.

Einereseits verbinden Neurochirurgen operativ-handwerkliches Geschick mit funktionellen und psychologischen Kenntnissen, denn die kleinen Bereiche und Strukturen, welche bei einer Operation offengelegt werden, bedürfen oftmals mikro-chirurgischer Intervention.

Andererseits sind Neurochirurgen aber nicht nur für den operativen Eingriff zuständig, sondern sie begleiten die Patienten auch teilweise über eine sehr lange Zeit. Neben der Aufklärung über die jeweilige Erkrankung und die operative Vorgehensweise sind auch das gemeinsame Erarbeiten eines Therapieziels und die Weiterleitung in eine Reha-Klinik Aufgaben eines Neurochirurgen.

 

Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der Neurochirurgie

Bevor Neurochirurgen operativ tätig werden, ist eine umfassende Diagnostik notwendig.

In einigen Fällen ist es möglich, eine Untersuchung mit einer minimal-invasiven Behandlung zu verbinden.

 

MRT

Die Magnetresonanz-Tomographie (MRT) ist ein Verfahren in der Medizin, bei der die inneren Organe und das Gewebe bildlich dargestellt werden können. Neurochirurgen fertigen bei einem MRT in der Regel Aufnahmen des Gehirns oder des Rückenmarks an.

Das MRT produziert Schnittbilder, um detailliert Aufschluss über Veränderungen zu erhalten.

Dazu werden Wasserstoffmoleküle im Körper durch magnetische Wechselfelder resonant angeregt, wodurch ein elektrisches Signal entsteht. Dieses wird graphisch umgewandelt und als MRT-Bild wiedergegeben.

EEG

Das Elektro-Enzephalogramm ist ebenfalls eine nicht-invasive Untersuchung, die aber, im Gegensatz zum MRT, nur in der Neurochirurgie und Neurologie Verwendung findet.

Dabei werden die Gehirnströme gemessen. Dieses Verfahren kann sowohl im Rahmen der Diagnostik, als auch bei einer Gehirn OP im Wachzustand angewandt werden.

Neurochirurgen sind vor allem daran interessiert, inwiefern die Vorgänge der Gehirnzellen physiologisch sind oder sich pathologisch verändert haben. Durch die Informationsverarbeitung entstehen bei den Neuronen sogenannte Potentiale, die sich messen lassen.

Die Aufzeichnung erfolgt in der Regel an mindestens 12 Kanälen, um möglichst viele Potentialveränderungen zu erfassen.

EMG

Mittels Elektromyografie ist es einem Neurochirurgen möglich, die Muskelaktivität durch elektrische Impulse zu messen.

Das EMG kann diagnostisch als auch im Rahmen einer Behandlungsmaßnahme zum Einsatz kommen.

Durch Nadelelektroden, welche direkt im Muskel platziert werden, können die Aktivitäten einzelner Muskelfasern erfasst werden. Es ist möglich, die Aktionsströme, welche von verschiedenen Bereichen eines Muskels ausgehen, abzuleiten.

Diese Messungen sind vor allem dann notwendig, wenn unklar ist, ob es sich um eine muskuläre oder nervliche Erkrankung handelt.

EPU

Die elektrophysiologische Untersuchung ist ein Verfahren, bei dem der Neurochirurg untersucht, inwiefern bestimmte Hirnbereiche für spezielle Körperfunktionen zuständig sind.

Dieses Verfahren dient einerseits der Diagnostik vor einer Hirn OP, andererseits wird es auch bei der Nachsorge im Anschluss an Operationen zur Kontrolle des OP-Ergebnisses durchgeführt.

Bei der EPU erhält der Patient Elektroden an speziellen Bereichen des Gehirns. Durch Elektrostimulation werden die Weiterleitungen zwischen den Neuronen unterbrochen und der Betroffene hat in dieser Zeit keine Kontrolle über spezielle Körperfunktionen.

Der Neurochirurg kann dadurch beurteilen, inwiefern beispielsweise Tumorgewebe abgetragen werden muss bzw. wurde.

Lumbalpunktion

Eine Lumbalpunktion ist eine Punktion des Duralsacks mittels Hohlnadel mit dem Zweck, Nervenwasser zu entnehmen.

Das Gehirn wie auch das Rückenmark sind durch das Nervenwasser vor Reibung und Stößen geschützt. Dieser sogenannte Liquor wird permanent neu produziert und abgebaut.

Die Lumbalpunktion kann sowohl diagnostisch als auch therapeutisch erfolgen.

Dabei punktiert der Mediziner in der Regel zwischen den Dornfortsätzen des zweiten bis fünften Lendenwirbels. Das Rückenmark endet deutlich darüber, weshalb es bei der Lumbalpunktion nicht berührt wird. Der Liquor kann viele Hinweise auf Erkrankungen des Nervensystems geben.

 

Schrittmacher

Sogenannte Schrittmacher kommen bei verschiedenen Erkrankungen, beispielsweise Morbus Parkinson, chronischen Schmerzen oder Epilepsie, zum Einsatz.

Durch die Implantation kann das Fortschreiten der Krankheit verlangsamt werden, wobei dieses Verfahren nur im Rahmen einer interdisziplinären Therapie angewandt wird.

Diese Schrittmacher implantiert der Neurochirurg im Rahmen einer aufwändigen Operation, sodass der Patient von der bedarfsgerechten Freisetzung der Medikamente profitiert.

Palliativmedizin

In einigen Fällen können Patienten nicht mehr von ihrer Erkrankung geheilt werden.

Neurochirurgen arbeiten dann mit anderen Medizinern zusammen, um das Leiden der Betroffenen zu lindern.

Vor allem bei Tumoren im Bereich des Gehirns oder des Rückenmarks, aber auch bei stark fortgeschrittenen neurologischen Erkrankungen sind operative Eingriffe zum Teil mit Schmerzlinderung und einer verbesserten Lebensqualität verbunden.

 

 

Was wird in der Neurochirurgie behandelt?

Das menschliche Nervensystem wird grob in das zentrale und periphere Nervensystem unterteilt.

Die dazugehörigen Strukturen sind eng miteinander verknüpft und zum Teil in ihrer Funktion voneinander abhängig. Daher führen einzelne Störungen zu einer Vielzahl von Symptomen und Krankheitsbildern, denen sich der Neurochirurg annimmt.

 

Körperbereiche, die unter die Neurochirurgie fallen:

Das zentrale Nervensystem besteht bei allen Wirbeltieren aus dem Gehirn und dem Rückenmark.

Dieses Nervengewebe setzt sich aus sogenannten Neuronen (Nervenzellen) und dem Stützapparat (Gliazellen) zusammen. Neuronen empfangen, codieren und übermitteln Informationen an andere Zellen. Dadurch ist das ZNS einerseits die Sammelstelle aller äußeren Reize und Koordinationszentrale für alle motorischen Aktivitäten. Andererseits fungiert das ZNS auch als Regulationszentrum für alle organischen und hormonellen Systeme.

Das gesamte zentrale Nervensystem ist durch drei Häute, verschiedene Knochen und die sogenannte Blut-Hirn-Schranke geschützt.

 

Das periphere Nervensystem umfasst den Teil außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks. Es setzt sich zusammen aus den Hirnnerven, den Spinalnerven und dem Nervensystem mit Rezeptoren.

Die Neuronen des peripheren Nervensystems bestehen aus einem Zellkern und den Zellfortsätzen. Diese Nervenbahnen leiten vor allem Informationen von außen an das ZNS weiter, daher münden die Zellfortsätze aller motorischen, sensiblen und vegetativen Neuronen des peripheren Nervensystems letztlich im ZNS.

Deshalb ist das periphere Nervensystem auch als ein Medium zu sehen und kann nicht als eigenständiges System betrachtet werden. Neurochirurgen befassen sich mit allen Körperbereichen des Menschen, in denen Nervenzellen oder Nervenleitbahnen vorhanden sind – überall.

 

Krankheiten, die der Neurochirurg therapiert

Neurochirurgen befassen sich mit der operativen Behandlung von Schädel-, Gehirn-, Rückenmarks- oder Nervenverletzungen, Tumoren, Fehlbildungen von Schädel, Gehirn, Rückenmark oder Nerven, Blutungen, Bandscheiben- und Wirbelerkrankungen sowie funktionellen Störungen wie Schmerzen, Spastiken, Epilepsie oder Bewegungseinschränkungen.

 

Die häufigsten Krankheitsbilder in der Neurochirurgie sind:

 

Bandscheibenvorfall

Die Bandscheiben liegen zwischen den Wirbelkörpern der Wirbelsäule und dienen als Dämpfer. Durch Überlastung kann es zu einem Riss der Bandscheibenhülle kommen und der Bandscheibenkern tritt aus. In manchen Fällen wird dabei das Rückenmark komprimiert, sodass eine Operation unbedingt notwendig ist.

 

Karpaltunnel-Syndrom

Auf der Innenseite des Handgelenkes verlaufen Nerven, Muskeln und Sehen durch einen engen Kanal, den Karpaltunnel. Durch chronischen Druck kann es zu einer Schwellung im Bereich der Handwurzel kommen, was den Karpaltunnel komprimiert. Infolgedessen entstehen Schmerzen, Fehlhaltungen und Bewegungseinschränkungen. Wenn konservative Behandlungsmaßnahmen nicht ausreichen, müssen Neurochirurgen den Karpaltunnel operativ erweitern. 

 

Schädel-Hirn-Trauma

Ein Schädel-Hirn-Trauma ist eine lebensbedrohliche Verletzung, meist in Folge eines Unfalls, und macht den sofortigen Eingriff eines Neurochirurgen erforderlich. In der Regel müssen im Rahmen der Notfall-OP Blutungen gestoppt, Hämatome ausgeräumt und Abflüsse gelegt werden. Es besteht dabei immer die Gefahr, dass durch die Verletzung des Gehirns der Patient nach der Hirnblutung OP ins Koma fällt oder lebenslang Beeinträchtigungen bestehen bleiben.

 

Meningeom

Ein Menigeom ist ein gutartiger Tumor in der Hirnhaut. Er wächst sehr langsam, ist nicht invasiv und metastasiert nicht. Dennoch kann er verschiedene Gehirnregionen komprimieren und dadurch Probleme bereiten. Ein Neurochirurg ist darauf spezialisiert, im Rahmen einer Hirntumor OP das Meningeom so minimal-invasiv und gewebeschonend wie möglich zu entfernen. 

 

Hydrocephalus

Bei einem Hydrocephalus kann das von den Hirnhäuten produzierte Gehirnwasser nicht oder nicht in ausreichendem Maße abfließen. Daher werden Gehirnzellen von der Versorgung abgeschnitten und können Schaden nehmen. Ob es sich um einen angeborenen oder einen durch Krankheit oder Verletzung entstandenen Hydrocephalus handelt, ist für die Therapie entscheidend. Ein Neurochirurg kann die Ursache des „Wasserkopfes“ im Rahmen einer Hirn OP therapieren und für Symptomlinderung sorgen.

Fazit zur Neurochirurgie

Die Neurochirurgie ist ein junges Fachgebiet der Medizin und befasst sich mit der Diagnostik und Therapie von Erkrankungen, Verletzungen oder Fehlbildungen des Gehirns, des Rückenmarks, der Nerven, der Wirbelsäule oder der versorgenden Blutgefäße.

Ob Hirn OP, neuropathische Schmerzen oder Rückenmarksverletzung – Neurochirurgen arbeiten in der Regel mit minimal-invasiven Methoden, um den Patienten trotz ihrer Erkrankung zu einem autonomen Leben zu verhelfen.

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