Burnout erkennen

„Der ist doch nur zu faul zum Arbeiten!“

„Jedes Mal, wenn man sie braucht, kneift sie.“

„Diese Generation hält wirklich nichts aus!“

„Wenn der sich nur mal zusammenreißen würde!“

„Ich bin auch müde, na und?“

 

Burnout ist kein Phänomen der heutigen Zeit, doch die Krankheit ist noch immer nicht in der Gesellschaft verortet. Vielmehr werden die Symptome und das Leid ins Lächerliche gezogen, verharmlost oder herabgesetzt.

Dabei erfüllen mittlerweile mehr als 1/3 der Arbeitnehmer die Kriterien für Burnout oder eine Vorstufe. Besonders betroffenen sind Beschäftigte in Berufen der Erziehungs- oder Gesundheitswissenschaften wie Lehrer, Ärzte, Pflegekräfte, Psychologen oder Sozialarbeiter. Doch auch bei Hausfrauen oder Schülern ist Burnout immer häufiger Grund für eine Krankschreibung.

Wenn Sie wissen möchten, was Burnout ist, wie es sich äußert und welche Therapien angewandt werden, dann sind Sie bei diesem Artikel richtig.

 

Definition Burnout

Burnout ist nicht als Krankheit definiert und daher auch nicht in den medizinischen Klassifikationen ICD-10 oder DSM-5 verankert.

Der Begriff Burnout, aus dem Englischen „ausgebrannt“, beschreibt einen Zustand extremer emotionaler, physischer und psychischer Erschöpfung. Betroffene leiden unter Konzentrationsmangel, können kaum Energie für den Alltag aufbringen, sie fühlen sich überfordert und gestresst. 

Bereits der Psychologe und Psychoanalytiker Herbert Freudenberger hat den Begriff schon im Jahre 1974 geprägt und in einigen wissenschaftlichen Artikeln das Gefühl von Überforderung und emotionaler Erschöpfung mit der Vokabel „Burnout“ beschrieben.

 

Ursachen des Burnout

Die meisten Betroffenen sind bei der Erstdiagnose zwischen 30 und 50 Jahre alt und stehen vor der Herausforderung, die Tücken des Alltags mit den Ansprüchen des Berufes in Einklang bringen zu müssen. Ob Leistungsdruck, Eheprobleme oder familiärer Stress – die meisten von uns kennen das Gefühl, wenn alles zusammenzubrechen droht. Denn dauerhafte Verfügbarkeit, Perfektionismus und extreme Flexibilität sind Probleme unserer Zeit, zwischen denen eigentlich keine Work-Life-Balance mehr Platz findet. Doch genau dies kann Auslöser für Burnout sein.

Aber nicht jeder entwickelt angesichts des alltägliches Stresses ein Burnout. Es gibt diverse Theorien, warum dies so ist. Diese werden als Risikofaktoren bezeichnet, da sie die Auftretenswahrscheinlichkeit erhöhen.

 

Persönlichkeit

Entscheidend dafür, ob wir bei Überforderung und Stress ein Burnout-Syndrom entwickeln, hängt entscheidend von unserer Persönlichkeit ab. Während unserer Sozialisation hatten wir verschiedene Modelle, die uns zeigten, wie wir auf Anforderungen reagieren können. Auch wir selbst haben unbewusst erprobt, welche Strategien wir zur Bewältigung von Aufgaben heranziehen sollten. Die Fähigkeit, Resilienz zu zeigen und Erlebtes zu verarbeiten, steckt grundsätzlich in jedem von uns, muss jedoch auch intensiv durch Erfahrungen trainiert werden.

Wenn negative Modelle oder zu wenig Testmöglichkeiten auf geringe Resilienz treffen, kann es sein, dass wir uns zu anfälligen Persönlichkeiten entwickeln. Nach aktuellem Wissensstand gehen Mediziner und Psychologen davon aus, dass besonders Menschen, die folgende Persönlichkeitsmerkmale aufweisen, eher zu einem Burnout neigen:

  • wenn das Selbstbild von der erfolgreichen Ausübung einer einzigen Rolle abhängigt
  • bei dauerhaftem Sinnzweifel
  • wenn unrealistisch hohe Lebensziele gesteckt werden
  • wenn die gesteckten Ziele nie den eigenen Bedürfnissen entsprechen
  • wenn das Handeln nur auf eine Belohnung fokussiert ist
  • bei Schwierigkeiten, Schwäche eingestehen zu können
  • bei Schwierigkeiten, „Nein“ sagen zu können

 

Genetik

Reizfilterung ist wichtig, denn es prasseln mehr Eindrücke auf uns ein, als wir speichern können. Doch diese unzähligen Reize gelangen zuerst in unser Gehirn, erst dort werden sie interpretiert und verarbeitet.

Unser zentrales Nervensystem unterscheidet prinzipiell hemmende und erregende Faktoren. Nur bei Gleichgewicht verlaufen Reizwahrnehmung, Reizinterpretation und Reizverarbeitung normal. Ist auch nur eines der Systeme defekt, kommt es letztendlich zu einem Ungleichgewicht und einer vermehrten Erregung und Stress.

Grund dafür ist der übermäßige Einstrom von Calcium-Ionen in die Nervenzellen. Dadurch kommt es zur ständigen Polarisation und Botenstoffe wie Adrenalin oder Dopamin werden vom Gehirn ausgeschüttet. Diese sogenannten Neurotransmitter versetzen den Körper in dauerhafte „Alarmbereitschaft“, es kommt zu typischen Symptomen wie Unruhe, Schlaflosigkeit und Nervosität. 

Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei manchen Menschen die Membran der Nervenzellen besonders durchlässig für Calcium ist und es deshalb häufiger zu Reizüberflutung und stressbedingten Erkrankungen wie Burnout kommt.

 

Alter

Durch die gesteigerte Lebenserwartung leiden mittlerweile etwa 25 % aller Menschen über 65 Jahre an psychischen Erkrankungen, darunter auch Burnout. Ursächlich wird die hohe Morbidität von anderen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Rheuma gesehen. Daraus können auch Anzeichen wie sozialer Rückzug, Antriebsminderung oder Ängstlichkeit resultieren. Die Symptome der Grunderkrankungen verstärken sich oftmals gegenseitig, sodass es zum einen zu einer längeren Behandlungsdauer kommt, zum anderen zu einer Verkennung der Frühwarnsignale für psychische Erkrankungen. Doch auch im Alter stehen noch viele Therapiemöglichkeiten bei Burnout und anderen psychischen Krankheiten zur Verfügung.

 

Traumata

Ein Trauma ist eine schwere belastende Situation, die allein selten weder psychisch noch emotional bewältigt werden kann. Sie kann ein Burnout auslösen, wenn sie nicht adäquat verarbeitet wird oder wenn keine Anpassung gelingt. 

Doch Reaktionen wie Schlafstörungen, Anspannung oder aggressives Verhalten sind nicht krankhaft, wenn sie direkt nach einem Trauma auftreten. In der Regel klingen diese Symptome nach einigen Wochen wieder ab. Wenn jedoch Betroffene den Alltag nicht mehr bewältigen können, wenn für alle Anforderungen ein großer Kraftaufwand erforderlich ist und wenn problematische Verhaltensweisen auftreten, dann sollte ein Facharzt aufgesucht werden, um ein Burnout oder andere psychische Erkrankungen auszuschließen.

 

Wie äußert sich Burnout?

Die Symptome des Burnouts sind sehr vielfältig und unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Alle Betroffenen leiden jedoch unter einer eingeschränkten emotionalen, psychischen und kognitiven Leistungsfähigkeit. Zudem haben alle Menschen mit Burnout gemein, dass sich das Gefühl der tiefen Erschöpfung durchzieht, während sich andere Symptome während der einzelnen Phasen verändern.

Die Phasen des Burnout

1. Phase: Enthusiasmus

In der Anfangsphase steht der Enthusiasmus. Betroffene stecken sehr viel Energie in ihre Aufgaben, freiwillig oder aus der Not heraus. Charakteristisch ist jedoch die Unfähigkeit, abzuschalten. Betroffene können sich auch in Pausen oder im Urlaub nicht erholen, sie schlafen schlecht, benötigen mehr Kraft für die Bewältigung der anfallenden Aufgaben und sind dennoch weniger leistungsfähig. Doch das Gefühl, unentbehrlich zu sein und keine anderen Bedürfnisse zu haben als die Aufgabenbewältigung, zeigt den Beginn des Teufelskreises auf. 

Einige Menschen sind schon in der Anfangsphase rastlos, infektanfällig und schränken sämtliche sozialen Kontakte ein. Zudem verdrängen sie Misserfolge und Enttäuschungen, um sich dann umso verbissener den zu erfüllenden Aufgaben zu widmen. 

 

2. Phase: Reduktion 

Der Enthusiasmus kippt ab einem bestimmten Zeitpunkt und wandelt sich in eine Anspruchshaltung. Die Betroffenen erwarten Bestätigung für Ihre Arbeit. Bleibt diese aus, führt das unweigerlich zu einer inneren Kündigung, einer starken Abneigung gegen die Aufgaben bis hin zur Arbeitsverweigerung, emotionaler Kälte und Ungeduld.

Diese innere Haltung bleibt jedoch nicht im eigentlichen Unruhe-Stress-Herd, sondern wirkt sich auch auf alle anderen Bereiche des Lebens aus: Familie, Partnerschaft, Kinder, Freundeskreis, Arbeit.

 

3. Phase: Emotionale Reaktionen

Wenn die Welt kippt und sich Desillusionierung breit macht, erkennen die Betroffenen, dass die reale Welt nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Das führt entweder zu Aggression oder Depression.

Klare depressive Symptome bei einem Burnout-Syndrom sind:

  • Gefühle der Hilflosigkeit
  • Gefühl der inneren Leere
  • geringes Selbstwertgefühl
  • Pessimismus
  • Ängste
  • Antriebslosigkeit

Eindeutige aggressive Symptome bei Burnout sind: 

  • Schuldzuweisungen
  • Reizbarkeit, Launenhaftigkeit
  • Konfliktunfähigkeit
  • Zornesausbrüche

 

4. Phase: Körperlicher Abbau

Durch die mangelnde Motivation und die starken emotionalen Reaktionen kommt es nach einiger Zeit auch zu einer verminderten Leistungsfähigkeit. Betroffene sind vergesslicher, weniger kreativ, scheitern an vermeintlich einfachen Aufgaben, haben Probleme mit der Entscheidungsfindung, denken undifferenzierter und lehnen Veränderungen ab. 

Grund dafür ist die sinkende kognitive und physische Kraft, die notwendig wäre, um leistungsfähig zu sein.

 

5. Phase: Rückzug

Durch den Energiemangel kommt es zu einem emotionalen Rückzug. Den Betroffenen wird alles gleichgültig, nichts kann ihre Stimmung heben, sie „ziehen alle runter“. Daraus resultiert nicht selten Einsamkeit. 

 

6. Psychosomatische Reaktionen

Die Belastung in allen Bereichen schlägt sich als körperliches Leiden nieder. Psychosomatische Symptome tauchen in nahezu allen Phasen bei Burnout auf, doch nach dem Rückzug treten sie am deutlichsten zu Tage. Zu den häufigsten Anzeichen zählen:

  • Schlafstörungen
  • Schmerzen
  • Bluthochdruck, Herzrasen, Engegefühl
  • gastrointestinale Beschwerden
  • sexuelle Probleme
  • verändertes Essverhalten, dadurch deutliche Gewichtszunahme oder –abnahme
  • verstärkter Konsum von schädigenden Substanzen
  • erhöhte Infektanfälligkeit

 

7. Phase: Verzweiflung

Die letzte Phase des Burnout ist gekennzeichnet durch eine generalisierte Hoffnungslosigkeit. Für die Betroffenen erscheint das Leben sinnlos, es tauchen suizidale Gedanken auf. Menschen mit Burnout in diesem Stadium können sich an nichts mehr erfreuen, es ist ihnen alles gleichgültig und sie versinken in einer tiefen Burnout-Depression.

 

Burnout Symptome und die Wechselwirkungen

Die Symptome des Burnout-Syndroms sind vielfältig und wechseln in den einzelnen Phasen. Sie beeinträchtigen jedoch nicht nur einen Bereich, sondern schränken das gesamte Leben ein. 

Auch stehen die Symptome in enger Wechselwirkung zueinander. Psychosomatische Beschwerden beeinflussen die körperliche Belastbarkeit. Durch psychische Veränderungen kommt es zu sozialen Problemen. Die Konflikte in einem Bereich werden in andere gezogen, sodass weitere Stresssituationen entstehen. Der Teufelskreis kann nur durch eine umfassende Diagnostik und eine individuelle Therapie durchbrochen werden. 

 

Was ist der Unterschied zwischen Burnout und Depression?

Einige Beschwerden, die dem Burnout-Syndrom zugeschrieben werden, tauchen auch im Zusammenhang mit einer depressiven Erkrankung auf. Dazu gehören vor allem die starke Erschöpfung, die Niedergeschlagenheit und die verringerte Leistungsfähigkeit. 

Die Depression lässt sich jedoch durch die übermäßigen allgemeinen negativen Gedanken und Gefühle, das dauerhafte mangelnde Selbstwertgefühl, die permanente Hoffnungslosigkeit und die prominenten Suizidgedanken unterscheiden. 

Nicht hinter jedem Burnout steckt eine Depression. Ein Burnout-Syndrom kann jedoch das Risiko erhöhen, an einer Depression zu erkranken. 

Ein versierter Mediziner ist in der Lage, mithilfe von Burnout Tests eine eindeutige Differenzierung vorzunehmen und die richtigen Therapiemaßnahmen bei einem Burnout-Syndrom einzuleiten.

 

Burnout Therapie

Das Burnout-Syndrom ist eine ernsthafte Krankheit, die schnell diagnostiziert und therapiert werden sollte. Je später die Behandlung eingeleitet wird, umso schlechter stehen die Heilungschancen. Suchen Sie deshalb rechtzeitig einen Spezialisten auf.

Die Therapie bei Burnout setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen. Diese werden individuell auf die Probleme und die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten. Die Behandlung kann sowohl ambulant als auch stationär in einer Klinik stattfinden. 

Die konservative Behandlung umfasst unter anderem Psychotherapie, Verhaltenstherapie, Körpertherapie und Sport. Alternative Behandlungsmethoden wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Aromatherapie oder Yoga haben sich zudem ergänzend bewährt. Sind Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit besonders ausgeprägt, können kurzzeitig antriebssteigernde oder stimmungsaufhellende Medikamente eingesetzt werden, um die Therapie erfolgreich zu starten.

 

Burnout vorbeugen – geht das?

Viele Menschen können ein Burnout entwickeln oder erneut daran erkranken. Doch Sie sind nicht hilflos ausgeliefert, Sie können aktiv präventiv dagegen vorgehen:

  • eigene Bedürfnisse wahr und ernst nehmen
  • adäquates Stressmanagement
  • Stresstagebuch führen
  • soziale Kontakte pflegen
  • Perfektionismus ablegen
  • klare Ziele definieren
  • Selbstwertgefühl und Selbstakzeptanz stärken
  • gesunde Lebensweise
  • Arbeitsklima verbessern

 

Fazit

Burnout ist eine ernsthafte Erkrankung, die nahezu jeden von uns treffen kann. Bestimmte Faktoren wie Stress oder Unzufriedenheit erhöhen jedoch die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken. Leitsymptome sind Erschöpfung und Antriebslosigkeit, doch auch verschiedene psychosomatische Anzeichen treten begleitend auf. Während einige Menschen in der Anfangsphase mit einer kurzen Auszeit ambulant kuriert werden können, sind andere wochenlang krankgeschrieben und erhalten stationäre Hilfe. 

Wenn Sie glauben, am Burnout-Syndrom erkrankt zu sein, sollten Sie nicht warten. Denn je früher Sie eine Therapie beginnen, umso schneller kommt Ihre Gesundheit zurück.

 

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