Rheumatische Erkrankung: Morbus Bechterew

Rückenschmerzen zählen mittlerweile zu den Volksleiden. Doch neben Bewegungsmangel, Übergewicht und Alter kann auch eine rheumatische Erkrankung als Ursache in Frage kommen. Etwa 1 % der Bevölkerung, also ca. 750.000 Menschen in Deutschland, leiden an Morbus Bechterew, einer Krankheit, die sich vor allem durch Rückenschmerzen bemerkbar macht. Unerkannt schreitet die Erkrankung schnell voran und führt zu schweren, irreversiblen Beeinträchtigungen bis hin zur Behinderung. Eine rasche Diagnose und eine schnelle Therapieeinleitung ist daher das A und O.

Doch welche Ursachen hat Morbus Bechterew? Wie erkennen Sie die Erkrankung? Und welche Möglichkeiten zur Behandlung gibt es? In diesem Artikel finden Sie zahlreiche Informationen zum Thema Morbus Bechterew.

 

Was ist unter Morbus Bechterew zu verstehen?

Morbus Bechterew, im Fachjargon als Spondylitis ankylosans bezeichnet, ist eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, die insbesondere die Lendenwirbelsäule betrifft. In Schüben entzünden sich dabei die Wirbelgelenke, die Wirbel-Becken-Verbindungen sowie die Wirbel-Rippen-Verbindungen, was zu einer Verknöcherung des muskoskelletären Apparates und somit zur Versteifung und Deformation des Rückens führt. Die rheumatischen Schübe gehen mit starken Schmerzen einher. In wenigen Fällen können auch andere Bereiche des Skeletts betroffen sein.

Die Bechterew-Erkrankung wird zum rheumatischen Formenkreis gerechnet und geht, wie alle anderen Krankheiten dieser Kategorie auch, mit Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates sowie mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen einher.

Morbus Bechterew ist eine chronische Erkrankung, welche bei jedem Patienten individuell verläuft. Symptomatik, Ausprägung, Schmerzen, Verlauf und Behinderung variieren von Mensch zu Mensch. Trotz intensiver Forschung ist es bis heute nicht gelungen, eine Heilung zu erzielen. Mit einer konsequenten Behandlung lässt sich der Krankheitsverlauf jedoch positiv beeinflussen. So haben sich besonders die pharmakologische Therapie und die Physiotherapie bewährt, um die Entzündungen zu reduzieren und die Beweglichkeit zu erhalten.

Morbus Bechterew tritt, im Gegensatz zu anderen rheumatischen Erkrankungen, vor allem in jungen Jahren (18-35 Jahre) in Erscheinung und manifestiert sich schon zu Beginn in starken Rückenschmerzen oder Muskelverspannungen. Aufgrund des jungen Alters der Patienten gehen die meisten Ärzte bei der Erstvorstellung eher von Fehlhaltungen, Sportverletzungen oder anderen Ursachen aus. Dieses Trugbild verzögert den Therapiebeginn häufig, sodass wertvolle Zeit ungenutzt vergeht.

Während früher Morbus Bechterew als Männerkrankheit galt, ist mittlerweile durch Forschungen erwiesen, dass das Verhältnis Männer zu Frauen bei 2:1 liegt.

Auch wenn der Neurologe Wladimir Bechterew 1890 die Symptome der Erkrankung in mehreren Veröffentlichungen beschrieb und dadurch bekannt machte, existierte das Leiden schon zu Zeiten der alten Ägypter.

 

Welche Ursachen hat die rheumatische Erkrankung?

 

Forscher konnten herausfinden, dass die Ursache des Morbus Bechterew zum einen eine Fehlfunktion des Immunsystems und zum anderen eine genetische Veranlagung ist. Dieses Zusammenspiel sorgt dafür, dass die Bechterew-Krankheit entstehen kann.

Mehr als 90 % aller Betroffenen verfügen über eine bestimmte Eiweißkomponente, welche sich HLA-B 27 nennt. Diese besetzt normalerweise die Oberfläche verschiedener Immunzellen, um Krankheitserreger oder Fremdstoffe zu erkennen und eine Abwehrkaskade zu initiieren.

Im Falle des Morbus Bechterew sind diese Eiweiße gegenüber manchen Erregern inaktiv, sodass das Immunsystem andere Zellen zur Abwehr bereitstellen muss, um potenzielle Gefahren abzuwehren. Kommt es dennoch zu einer Infektion, so reagieren diese Eiweiße dann stattdessen auf körpereigenes Gewebe, insbesondere auf Zellen der Wirbelsäulengelenke und der Beckenknochen. Sie veranlassen eine Entzündung und entsenden zytotoxische T-Zellen sowie Fresszellen, sodass das Gewebe zerstört wird.

Auch wenn eine genetische Veranlagung insbesondere durch mehrere Erkrankte innerhalb einer Familie deutlich wird, zählt Morbus Bechterew nicht zu den klassischen Erbkrankheiten und wird auch nicht dominant vererbt. Zudem erkranken nicht alle Menschen mit dem inaktiven Eiweiß HLA-B 27 an Morbus Bechterew.

Verschiedene Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen einem Bechterew-Schub und Stress, körperlicher Belastung oder nass-kalter Witterung. Ursächlich sind diese Faktoren jedoch nicht.

 

Wie zeigt sich Morbus Bechterew?

Die Bechterew-Erkrankung tritt nicht schlagartig auf wie ein Hexenschuss, sondern entwickelt sich schleichend über Wochen und Monate.

Beschwerden wie Rücken- und Gesäßschmerzen sind meist über einen sehr langen Zeitraum vorhanden und schränken die Betroffenen deutlich ein. Die Schmerzen werden unter Ruhe zunehmend schlimmer, weshalb sich bei den Menschen vor allem nachts und in den Morgenstunden die Symptome am deutlichsten zeigen. Nicht selten berichten Betroffene über eine Morgensteifigkeit von einer Stunde oder länger.

Am Tag lassen die Schmerzen unter Bewegung dann oftmals nach.

Da es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, ist es möglich, dass sich die Entzündungsherde auch außerhalb der Wirbelsäule manifestieren, zum Beispiel an den Augen, auf der Haut, in den Gelenken der Finger, Knie, Ellbogen oder Füße.

Zudem fühlen sich die meisten Betroffenen müde, abgeschlagen und klagen über ein allgemeines Krankheitsgefühl, was dem verwirrten Immunsystem geschuldet ist.

Die Bechterew-Erkrankung tritt in Schüben auf, das bedeutet, beschwerdefreie Intervalle wechseln sich mit akuten Krankheitsphasen immer wieder ab. Unbehandelt kann Morbus Bechterew zu einer Versteifung der Wirbelsäule und damit zur Immobilität führen.

Ursache dafür ist die Entzündung der Sehnenansätze, sodass sich Granulationsgewebe bildet. Dieses wird im Rahmen der Kuration durch Faserknorpel ersetzt und verknöchert anschließend. Die wuchernden Knochenbildungen in den Zwischenwirbelgelenken, in den Bandscheiben und in den Bändern schränken die Beweglichkeit ein und begünstigen Fehlstellungen. Zudem bilden sich Knochenspangen in der Wirbelsäule, welche das klinische Bild zusätzlich verschlechtern.

 

Krankheitsverlauf und Prognose

In sehr seltenen Fällen heilt Morbus Bechterew nach dem ersten Schub spontan von selbst aus. In der Regel ist die Erkrankung jedoch nicht heilbar, sondern nimmt einen fortschreitenden Verlauf. Die Varianz reicht dabei von leichter Steifheit bis zur knöchernen Verschmelzung der Wirbelsäule mit dem Becken.

Durch die Verknöcherungen verschwindet über Jahre die physiologische Lordose der Lendenwirbelsäule, die Gesäßmuskeln verkümmern und es bildet sich eine Kyphose der Brustwirbelsäule aus. Im Volksmund wird dieses Bild als „Schildkröten-Rücken“ bezeichnet. Infolge der Fehlhaltung treten gastrointestinale Beschwerden wie Verdauungsprobleme oder Darmentzündungen auf. Auch Atembeschwerden und damit verbundene Lungenschäden sind Folge der Kyphose. Ebenso werden das Herz und die Aorta gedrückt und es kommt zu Funktionsstörungen.

Aufgrund der porösen Knochen können selbst bei leichten Traumata Knochen der Wirbelsäule brechen und das Rückenmark schädigen.

Durch häufige Begleit-Entzündung der mittleren Augenhaut kann es zum grünen oder grauen Star kommen.

 

Wie kann die Erkrankung diagnostiziert werden?

Im Gegensatz zu vielen anderen Erkrankungen verstreichen bei Morbus Bechterew bis zur Diagnose zwischen 4 und 6 Jahren. Die Symptome sind sehr diffus und lassen bei jungen Menschen eher auf Sportverletzungen oder Fehlhaltungen schließen als auf eine rheumatische Erkrankung. 

Bei Verdacht auf Morbus Bechterew sollten Sie deshalb rasch einen Rheumatologen in Ihrer Nähe aufsuchen. Dieser erörtert die Beschwerden in einem ersten Anamnesegespräch. Besonders wichtig für die Diagnosestellung sind

  • die Dauer der Rückenschmerzen

  • die erstmalige Erscheinung

  • die Dauer der Morgensteifigkeit

  • die Intensität der Schmerzen bei Ruhe und Bewegung

  • die Nachtruhe

  • der Beginn der Schmerzen

  • Beschwerden in anderen Körperregionen

Hat der Rheumatologe einen Verdacht, kann er diesen durch klinische Untersuchungen festigen. Beim Mennel-Test wird der Schmerz im Kreuzbein-Darmbeingelenk in Bauchlage getestet. Der Schober-Ott-Test gibt Aufschluss, inwiefern die Beweglichkeit der Lenden- und Brustwirbelsäule eingeschränkt ist.

Mittels bildgebender Verfahren wie Röntgen, MRT oder CT lassen sich das Ausmaß der knöchernen Zerstörung sowie die Neubildung von Knochengewebe und der Zustand der Gelenke feststellen. Blutwerte geben hingegen keinen Aufschluss über die Bechterew-Erkrankung, da diese zu unspezifisch sind.

 

Behandlung von Morbus Bechterew

Die Therapie bei Morbus Bechterew fußt auf den Säulen konservative Therapie, Medikamente und chirurgische Interventionen. Der Behandlungsplan wird individuell an die Patienten und deren Bedürfnisse angepasst.

 

Konservative Therapie

Richtige Bewegung wie Fahrradfahren, Schwimmen, Nordic Walking, Yoga oder Gymnastik können helfen, die Muskulatur zu kräftigen, um die Wirbelsäule in der Aufrichtung zu unterstützen.

Auch die Ernährung spielt, wie bei allen rheumatischen Erkrankungen, eine nicht unwesentliche Rolle. Arachidonsäure, welche vorrangig in Fleisch enthalten ist, fördert Entzündungen. Fisch, Leinöl, Rapsöl sowie Obst, Gemüse und Milchprodukte hingegen gelten aufgrund ihrer Vielfalt an Nährstoffen als empfehlenswert.

Versuchen Sie zudem, Normalgewicht anzustreben. Denn mit Übergewicht fällt es dem Körper wesentlich schwerer, eine aufrechte Haltung einzunehmen.

Auch die Physiotherapie leistet einen wichtigen Beitrag für Menschen mit Morbus Bechterew. Durch gezielte Übungen bereits zu Beginn der Erkrankung können Muskeln und Bänder gestärkt werden, um den Bewegungsapparat zu stabilisieren. Die Übungen können Sie auch ganz einfach zu Hause weiterführen oder in einer Gruppe zusammen mit Gleichgesinnten.

Gerade bei fortschreitender Krankheit ist es sinnvoll, die Anbindung an einen Ergotherapeuten zu suchen. Dieser entwickelt ein Programm, mit dem die Beeinträchtigungen durch den Einsatz von Hilfsmitteln kompensiert werden. Bei der Ergotherapie lernen Betroffene auch, Bewegungsabläufe gelenkschonend durchzuführen oder den Alltag mit Einschränkungen selbständig zu gestalten.

 

Pharmakologische Therapie

Die medikamentöse Therapie zielt darauf ab, Entzündungen, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen zu verringern und die Mobilität zu erhalten.

Allen voran kommen NSARs (nicht-steroidale Antirheumatika) zum Einsatz, welche die Entzündungen und die Schmerzen lindern. Starke Gelenkschmerzen während eines Schubes sind eine klassische Indikation für Kortison. Die Entzündungen gehen dadurch sehr schnell vorbei. Daneben werden auch Immunmodulatoren oder TNF-Alpha-Blocker verordnet, um in den Stoffwechsel der Entzündungsbotenstoffe im Immunsystem einzugreifen.

 

Operationen

Manchmal ist es notwendig, bei Morbus Bechterew eine Operation in Erwägung zu ziehen. Wenn Gelenke stark beschädigt oder ganz zerstört sind, macht eine Endoprothese Sinn, um die Beweglichkeit wiederherzustellen.

Ist die Wirbelsäule aufgrund der Bechterew-Erkrankung instabil, kann eine operative Versteifung (Fusion) Sicherheit bieten. Auch die Entfernung pathologischer Knochenneubildungen ist eine Maßnahme bei fortgeschrittener Krankheit, um die Wirbelsäule wieder aufzurichten,

 

Kliniken für die Behandlung von Morbus Bechterew

Welche Auswirkungen hat Morbus Bechterew?

Arbeitsleben – Was tun, wenn es nicht mehr geht?

Wenn Ihr Leben bereits stark eingeschränkt ist, kann die Erkrankung als Behinderung oder Schwerbehinderung geltend gemacht werden. Zuständig für die Einstufung und Ausstellung ist das Amt für Versorgung und Rehabilitation.

Familienplanung – Morbus Bechterew und Schwangerschaft

Frauen mit Morbus Bechterew können schwanger werden wie alle anderen Frauen auch. Die Erkrankung beeinflusst nicht die Fertilität und hat im Anfangsstadium, auch bei einem Schub, keine Auswirkungen auf den Fötus.

Bei schwerer Kyphose ist jedoch von einer Schwangerschaft abzuraten, denn der Bauchraum bietet bei derartiger Deformation kaum ausreichend Platz.

Zudem ist es sinnvoll, die Einnahme von Medikamenten während der Schwangerschaft und Stillzeit mit dem betreuenden Arzt zu besprechen.

 

Freizeit – Was ist möglich?

Morbus Bechterew muss nicht Ihre Pläne durchkreuzen. Ob Urlaub, Sport oder Unternehmungen – tun Sie, wozu Sie sich gut fühlen. Ihr Rheumatologe steht Ihnen mit Rat und Tat zur Seite und beantwortet wichtige Fragen wie „Medikamente ins Ausland mitführen“ oder „Welches Klima ist das Beste?“.

Zudem können Sie sich bei Ihrem behandelnden Arzt Informationen zum Thema Reha, Selbsthilfegruppen oder Angehörigenschulung einholen. Je besser Sie informiert sind, umso einfacher gelingt Ihnen und Ihren Angehörigen das Handling.

 

Fazit

Morbus Bechterew ist eine Autoimmunerkrankung, die zum Formenkreis der rheumatischen Krankheiten gerechnet wird. Leitsymptome sind Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und der Gelenke, die durch Entzündungen hervorgerufen werden sowie Bewegungseinschränkungen.

Morbus Bechterew ist eine chronische Erkrankung, die in Schüben verläuft und nicht heilbar ist. Durch die wiederkehrenden Entzündungen bilden sich knöcherne Wucherungen vor allem an den Sehnenansätzen und zwischen den Wirbelkörpern. Infolgedessen versteifen sich Wirbelgelenke und es kommt zu Deformationen des Oberkörpers und zur Immobilität. Auch in anderen Körperregionen kann es zu Entzündungen kommen.

Morbus Bechterew betrifft vor allem junge Menschen und wird oftmals spät diagnostiziert. Bei einer rasch eingeleiteten Therapie können Betroffene jedoch die Beweglichkeit fördern und Schmerzen lindern. Zudem erfahren Sie in einem individuellen Behandlungsplan, den Alltag selbständig mit Einschränkungen zu gestalten und Hilfsmittel gezielt einzusetzen.

 

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