Über Winterdepression

Wenn das Wetter trüb und die Tage kürzer werden, hört man viele Menschen darüber sprechen, dass sie „deprimiert“ seien. Doch in den meisten Fällen steckt hinter einer Niedergeschlagenheit nicht gleich eine echte Winterdepression. Umgekehrt muss die tatsächliche Erkrankung erkannt und ernst genommen werden, damit sie nicht unbehandelt bleibt oder als einfacher Winterblues abgetan wird.

Wir erklären heute die typischen Symptome und Behandlungsmöglichkeiten bei Winterdepression.

 

Was genau ist eine Winterdepression?

Die Winterdepression (manchmal auch Herbstdepression oder Herbst-Winter-Depression genannt) tritt nur saisonal auf. Während die Patienten im Herbst und Winter zu Symptomen einer Depression neigen, sind sie im Frühjahr und Sommer beschwerdefrei.

Dies grenzt die fachlich auch als saisonal affektive Störung (SAD) bezeichnete Erkrankung von anderen depressiven Beschwerdebildern ab. Das bedeutet allerdings nicht, dass jede SAD automatisch eine Winterdepression sein muss; es gibt auch Patienten, die nur im Sommer Beschwerden haben, was aber mit dem Phänomen der Herbstdepression oder Winterdepression meist nicht in Verbindung steht.

Manche Patienten entwickeln zudem keine depressiven Symptome, sondern werden manisch, überschätzen sich also selbst und weisen starke euphorische Episoden auf. Wir widmen uns bei der winterlichen Depressionsstörung jedoch heute den üblichen Beschwerden, die sich ursächlich in Verbindung mit der lichtarmen Jahreszeit und deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus und die Psyche bringen lässt. 

 

Wie viele Menschen sind von Winterdepressionen betroffen?

Schätzungen von Fachleute zufolge entwickeln in Mitteleuropa zwischen 10 - 20% Prozent der Bevölkerung zumindest eine milde Form der saisonalen Depression. Die geographische Lage spielt dabei eine Rolle, die ebenfalls auf den Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Tageslicht einhergeht.

So ist die Zahl der Fälle von Herbst- und Winterdepressionen im Süden weniger stark ausgeprägt als etwa in Nordeuropa. Länder, die so weit nördlich liegen, dass es im Winter kaum Tageslicht zu sehen gibt, verzeichnen außerdem deutlich höhere Suizidraten in dieser Jahreszeit. In Deutschland ist das Problem nicht so stark ausgeprägt, sollte aber dennoch ebenso ernst genommen werden wie jede andere psychische Erkrankung.

Insgesamt scheinen Frauen häufiger betroffen zu sein als Männer. Unerkannt bleibt die Winterdepression oft bei Kindern und Jugendlichen, weil niemand auf die Idee kommt, dass auch junge Menschen unter einer depressiven Störung leiden können. Hier sollten Eltern und Umfeld besonders achtsam sein.

 

Typische Symptome einer Winterdepression

Die meisten Betroffenen haben Symptome, die man auch beim einfachen Winterblues oder der Wintertraurigkeit verspürt. Daher ist die echte Winterdepression bisweilen nicht leicht zu entdecken und bleibt manchmal über Jahre hinweg unbehandelt.

Und hier kommen wir schon zu einer wichtigen Unterscheidung. Den Winterblues verspüren deutlich mehr Menschen. Auch hier kommen Symptome wie Niedergeschlagenheit, Traurigkeit und Müdigkeit zum Tragen, sie sind jedoch weniger stark ausgeprägt und nicht durchgehend in der Wintersaison vorhanden wie es für die Winterdepression typisch ist. Zudem entwickeln Patienten mit regulärer Winterdepression weitere Symptome, die über eine leichte depressive Verstimmung hinausgehen.

Wichtig ist auch, dass nicht jede im Winter auftretende Depression als Winterdepression zu klassifizieren ist, da andere Depressionsformen natürlich auch in dieser Jahreszeit (erstmals) auftreten können. Von einer Winterdepression spricht man erst, wenn die Beschwerden wiederkehrender Natur sind und in einen Zusammenhang mit der Jahreszeit gebracht werden können. Sie zählt daher zu den sogenannten rezidivierenden depressiven Störungen, die wiederholt auftreten.

Symptome im Überblick

•    Niedergeschlagenheit

•    Antriebslosigkeit

•    Mangel an Energie

•    Müdigkeit und erhöhtes Schlafbedürfnis

•    Tag-Nacht-Umkehr und generell gestörter Biorhythmus

•    Unausgeglichenheit

•    Gereiztheit

•    Vernachlässigung des sozialen Umfelds

•    Vernachlässigung der eigenen Person (z. B. mangelhafte Körperpflege)

•    gesteigerter Appetit oder Heißhunger auf Süßes (Kohlehydrate)


Hinweis: Wie bereits erwähnt, treten manche Symptome durchaus auch zeitweise beim einfachen Winterblues auf. Insbesondere Heißhunger auf Süßes und Gewichtszunahme durch geringere körperliche Aktivitäten im Winter sind nicht ungewöhnlich. Ein Hinweis auf Probleme ist solches Verhalten immer dann, wenn es extrem ausartet und eine psychische wie physische Belastung für den Patienten darstellt. 

 

Wo liegen die Ursachen der Winterdepression?

Dass Lichtmangel einen großen Einfluss auf die Entstehung einer Winterdepression hat, lässt sich durch den jahreszeitlichen Zusammenhang nachvollziehen. Doch das alleine reicht natürlich noch nicht für die Entstehung einer ernsthaften depressiven Störung aus.

Weitere Risikofaktoren und Ursachen müssen hinzukommen. Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang mit dem menschlichen Hormonspiegel und der Stressbelastung bzw. der Stressverarbeitung der Patienten. Außerdem scheint es eine genetische Komponente zu geben, die es wahrscheinlicher macht, an einer Winterdepression zu erkranken. Insbesondere Schwankungen der Hormonproduktion werden durch die veränderten Einflüsse der dunklen Jahreszeit auf den Körper für einen Großteil der Fälle verantwortlich gemacht. 

Warum beeinflusst uns ein Mangel an Licht?

Der Körper hat eine innere Uhr, die unseren Biorhythmus steuert. Gerät diese aus dem Takt, kann das die unterschiedlichsten Auswirkungen haben. Ein bekanntes Beispiel ist der Jetlag bei Flugreisen, bei denen die reale Uhrzeit und das Schlafbedürfnis des Körpers nicht mehr übereinstimmen.

Doch woher weiß der Körper im Normalfall, wann es Zeit zu schlafen ist?

Uhren gab es schließlich nicht immer. Die Antwort liegt im Tageslicht. Wird es dunkel, fällt weniger Licht auf Rezeptoren im Auge. Dies signalisiert der Zirbeldrüse im Gehirn, dass es Zeit wird, das Müdigkeitshormon Melatonin auszuschütten. Menschen, die beispielsweise in Nachtschichten arbeiten, haben durch einen Melatoninmangel am Tag oft Probleme mit dem Einschlafen. Im Winter gibt es nun naturgemäß weniger Licht, was die Ausschüttung von Melatonin auch tagsüber begünstigt. Dies gilt auch dann, wenn man sich zusätzlich vor allem in Innenräumen aufhält (etwa aus beruflichen Gründen) und kaum noch Tageslicht zu Gesicht bekommt. Eine Vorbeugung durch regelmäßige Spaziergänge bei Tageslicht ist zur ausreichenden Aufnahme von UV-Licht daher durchaus angebracht und oftmals wirksam, um das Auftreten von Beschwerden zu vermeiden.

Melatonin sorgt für Müdigkeit

Liegt nun eine Winterdepression vor, ist oftmals der Informationsfluss zwischen Sehzellen und Gehirn gestört. Die relevanten Sehzellen bei diesen Patienten sind weniger lichtempfindlich und regen somit bei geringerer Verfügbarkeit von Tageslicht das Gehirn schneller zur Produktion des Schlafhormons an, als es im Winter normal wäre. Schon dies erklärt einen Großteil der Symptome hinsichtlich einer starken Müdigkeit. Da Melatonin sich auch auf unsere Laune auswirkt, können sich einige der depressiven Symptome ebenfalls dadurch erklären lassen. 

Die Serotoninproduktion ist oft eingeschränkt

Serotonin ist ein Neurotransmitter, das auch als Glückshormon bekannt ist. Es hebt unsere Stimmung und ist beispielsweise als Wirkstoff in Antidepressiva verbreitet, um den Serotoninspiegel im Gehirn anzuheben. Hier setzen auch viele Medikamente gegen Winterdepression an. Aber warum entsteht der saisonale Serotoninmangel bei Patienten mit Winterdepression überhaupt? Die Antwort liegt vermutlich ebenfalls in der gesteigerten Melatoninproduktion, denn der Körper wandelt für diesen Prozess vorhandenes Serotonin einfach um. Der Serotoninmangel erklärt wiederum bei vielen Patienten den Heißhunger auf Süßes, denn das Gehirn versucht, den Serotoninspiegel durch Zucker und andere Inhaltsstoffe von Süßigkeiten zu heben, die für die Produktion von Serotonin wichtig sind. 

 

Diagnose der Winterdepression

Da eine Reihe von Symptomen auch mit anderen Erkrankungen in Zusammenhang stehen kann, ist die Diagnose einer echten Winterdepression nicht ganz einfach. Ausschlaggebend ist natürlich, dass die charakteristischen Beschwerden mit der dunklen Jahreszeit einhergehen und sich im Verlauf mehrerer Jahre im Winter wiederholen. Außerdem sollten sie nach Ende der Wintersaison innerhalb von 90 Tagen vollständig abklingen.

Ansonsten liegt möglicherweise eine andere depressive Störung oder eine organische Grunderkrankung vor, denen man nachgehen muss. Gesteigertes Schlafbedürfnis oder stärkerer Appetit auf Süßigkeiten sind im Normalfall noch nicht ausreichend, um Winterdepressionen zu diagnostizieren. Eine Diagnose sollte daher immer von einem Facharzt der Psychiatrie gestellt werden. Falls Sie den Verdacht haben, an einer Winterdepression zu leiden, sollten Sie bei Auftreten einer gedrückten Stimmung in der Winterzeit durchaus Ihren Arzt aufsuchen.

In einem persönlichen Gespräch kann dieser meist zuverlässig abschätzen, wie stark die Ausprägung Ihres Stimmungstiefs ausfällt und welche Begleiterscheinungen damit einhergehen. Wichtig sind dabei auch körperliche Untersuchungen, da sich viele internistische Grunderkrankungen auch auf die Psyche auswirken können.

Zu diesen Untersuchungen zählen zum Beispiel:

  • Blutuntersuchung

  • Sonografie (Ultraschall)

  • ggf. Kernspintomografie des Schädels

  • Untersuchung des Vitaminspiegels auf Mangel an B-12 oder Vitamin D

  • Ausschluss einer Demenz

  • Schilddrüsenfunktionstest

  • Beurteilung von möglichen Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen durch Medikamente, die der Patient einnimmt

Bei Bedarf wird der Hausarzt Sie zu Fachärzten überweisen, um eine Abklärung und Abgrenzung der Beschwerden zu verifizieren. 

Behandlung der Winterdepression

Lichttherapie zur „Verlängerung“ des Tages

Da der Lichtmangel eine große Rolle bei der Entstehung der Winterdepression spielt, ist es nicht überraschend, dass die Lichttherapie oder Phototherapie an erster Stelle bei der Behandlung der Erkrankung steht. Dabei wird der Patient typischerweise über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen hinweg jeden Tag vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang vor ein sogenanntes Lichtgerät gesetzt. Dieses erzeugt ein dem Tageslicht entsprechendes Lichtspektrum in einer Helligkeit von ca. 2500 Lux, wodurch dem Körper eine künstliche Verlängerung des Tages signalisiert wird. Die Behandlung sollte jeweils etwa eine Stunde dauern. Stärkere Lichtquellen können die Behandlungszeit auf etwa die Hälfte verkürzen. 

Medikamente

Um den Einfluss der Hormone auf den Patienten zu regulieren, können bei Winterdepression entsprechende Medikamente verabreicht werden, die auch bei anderen Depressionsformen zum Einsatz kommen. Hier stehen an erster Stelle die sogenannten selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), die den Serotoninspiegel im Gehirn regulieren sollen. Auch der Heißhunger auf süße Speisen sollte damit verschwinden oder zumindest reduziert werden. Aufgrund der potenziellen Nebenwirkungen sind diese Präparate aber nur unter ärztlicher Anleitung einzusetzen und sollten nicht auf eigene Faust eingenommen werden.

Psychotherapie

Wie bei allen depressiven Erkrankungen kann eine unterstützende Psychotherapie hilfreich für die Patienten sein. Bei der Winterdepression ist hierbei vor allem die kognitive Verhaltenstherapie zu erwähnen.

Fazit

Die Winterdepression lässt sich gut behandeln, sollte aber nicht unterschätzt werden.

Generell lassen sich die Beschwerden einer saisonalen Depression gut behandeln. Eine gewisse Vorbeugung der Winterdepression durch ausreichende Aufnahme von UV-Licht (z. B. durch Spaziergänge) ist sinnvoll – und auch bei bedecktem Himmel möglich. Sollten die Beschwerden stärker werden, sollten Sie in jedem Fall einen Facharzt aufsuchen, um andere Ursachen auszuschließen und eine zielgerichtete Therapie zu ermöglichen. 

 

 

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