Visite im Krankenhaus

„Bitte bleiben Sie im Zimmer, die Visite findet bald statt!“ – Diese Worte sind wohl jedem Menschen, der bereits einmal im Krankenhaus behandelt wurde, nur zu bekannt. Doch das Warten auf die Ärzte kann sich manchmal sehr in die Länge ziehen, insbesondere an Wochenenden oder zur Chefarztvisite. Und nach dem Besuch folgt häufig die Ernüchterung, wenn Patienten das Gefühl haben, nicht schlauer zu sein als vorher. 

Doch warum gibt es eigentlich Visiten? Wann finden sie statt? Wer kommt zur Visite? Und wie können Patienten dazu beitragen, dass der Arztbesuch im Krankenhaus so gestaltet wird, dass alle Seiten einen Benefit haben? Lesen Sie in diesem Beitrag Informatives und Wissenswertes zum Thema „Visite“.

Was ist eine Visite im Krankenhaus?

Der Begriff „Visite“ ist von dem lateinischen Begriff „visitare“ abgeleitet, was als „besuchen“ oder „aufsuchen“ übersetzt werden kann. Bereits im 10. Jahrhundert, als im Orient die ersten Spitäler entstanden, konnte sich die Visite etablieren. Schon damals suchten die Behandler ihre Patienten auf, um sich nach ihrem Befinden zu erkunden. 

Im Krankenhaus ist die Visite eine feste Institution, bei der der Stationsarzt gemeinsam mit der betreuenden Pflegekraft und zum Teil auch anderen Ärzten die Patienten aufsuchen. 

Welchen Hintergrund hat die Visite im Krankenhaus?

Aus medizinischer Sicht

Die Visite stellt aus medizinischer Sich einen der wichtigsten Pfeiler in der Patientenbehandlung dar:

  • Ergebnisse von Diagnosemaßnahmen und Untersuchungen werden gesichtet

  • durch die körperliche Untersuchung können Veränderungen festgestellt werden

  • Verlegungen auf Intensivstationen oder andere Stationen können geplant werden

  • alle medikamentösen, therapeutischen oder pflegerischen Maßnahmen werden diskutiert

  • die Notwendigkeit von Konsilen wird deutlich

  • notwendige Operationen oder kleine Eingriffe (Endoskopie oder ähnliches) können geplant werden

  • die Entlassung nach Hause, in eine Reha-Einrichtung oder eine Pflege-Einrichtung wird strukturiert

 

Aus pflegerischer Sicht

Während die Mediziner den Patienten oftmals nur wenige Minuten pro Tag begegnen, sind die betreuenden Pflegekräfte nah an den kranken Menschen und ihren Angehörigen. Deshalb hat sich die vorher medizinische Visite zu einer medizinisch-pflegerischen Visite mit der ganzheitlichen Betrachtung des Patienten entwickelt:

  • die Pflegekräfte informieren die Ärzte über Veränderungen sowie körperliche, emotionale und soziale Auswirkungen der Krankheit auf die Patienten

  • die Pflegekräfte wissen in der Regel, welche angeordneten Maßnahmen bereits erfolgt sind und welche Therapien umgesetzt wurden

  • haben Patienten später Fragen, können Pflegekräfte diese nur dann beantworten, wenn sie an der Visite teilgenommen haben

 

Aus Patientensicht

Der Patient ist der Dreh- und Angelpunkt im Geschehen. Deshalb ist die Visite auch für ihn mehr als nur eine willkommene Unterbrechung des etwas langweiligen Krankenhausalltages. An keinem anderen Zeitpunkt haben die Patienten mehr Möglichkeiten:

  • die Patienten können Beschwerden und Wünsche äußern

  • sie entwickeln gemeinsam Therapieziele

  • in der Visite können sie Bedenken bei Maßnahmen äußern und Alternativen erfragen

  • Unverstandenes lässt sich in der Visite direkt klären

  • die Patienten können sich Informationen einholen, wie sie den Genesungsprozess unterstützen

Wer führt die Visite durch?

In der Regel besucht der Stationsarzt mit der betreuenden Pflegekraft die Patienten. Zu Ausbildungszwecken können auch Medizinstudenten im praktischen Jahr (PJ) oder Auszubildende in Pflegeberufen an der Visite teilnehmen. Manchmal ist auch der Oberarzt anwesend, um die Arbeit des Assistenzarztes zu beobachten und zu beurteilen. Die normale Visite kann demnach als eine Art Standortbestimmung gesehen werden, während die Oberarztvisite zur Festlegung weiterer Vorgehen dient. 

Eine Besonderheit ist die Chefarztvisite. Der Chefarzt verschafft sich einerseits eine Übersicht über die Arbeit der ihm unterstehenden Ärzte und wägt die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen ab. Andererseits dient die Chefarztvisite auch dem Ziel, Assistenzärzte in Weiterbildung zu unterrichten und zu schulen. Eine Chefarztvisite ist also Qualitätsüberprüfung und Lehre zugleich.

Wann findet die Visite in der Regel statt?

Die normale Visite ist Pflicht und findet in der Regel in den Vormittagsstunden statt. Die genauen Zeiten erfahren die Patienten bei der Aufnahme. Es ist wichtig, dass sie sich in dem genannten Zeitfenster im Zimmer befinden, da aus organisatorischen Gründen die Visite nur einmal täglich stattfinden kann. Die Chefarztvisite ist einmal wöchentlich im gleichen Zeitfenster angesetzt. 

An Wochenenden betreuen die Bereitschaftsärzte oftmals mehrere Stationen und müssen zwischen Alltag und Notfall pendeln. Deshalb lässt es sich nicht immer genau sagen, wann die Visite am Wochenende stattfinden kann. Die Patienten sollten sich am besten bei der betreuenden Pflegekraft informieren.

Kann die Visite auch ausfallen?

Die Visiten finden täglich statt. Sonntags oder an Feiertagen ist es aber möglich, dass der Bereitschaftsarzt nur dann persönlich nach den Patienten sieht, wenn es besondere Vorkommnisse gibt. 

Am Tag eines operativen Eingriffes findet ebenfalls keine Visite statt. Dies hat den Hintergrund, dass der Stationsarzt eine Visite durchführt, wenn die Patienten wieder auf der Station sind. 

Dürfen auch Angehörige bei der Visite dabei sein?

Es ist möglich und auch wünschenswert, dass Angehörige bei der Visite anwesend sind. Sie müssen jedoch bei der Visite des Zimmernachbarn aus Gründen des Datenschutz den Raum verlassen.

Wie läuft eine Visite ab?

Die Visite ist gekennzeichnet durch Untersuchungen, Abklären von Veränderungen, Therapieplanung, Eruieren von durchgeführten Maßnahmen und Zeit für Fragen des Patienten. Die Visite ist also nicht nur medizinisch-pflegerisch relevant, sondern eine gute Gelegenheit für Patienten, Sorgen und Ängste anzusprechen sowie Informationen einzuholen. Zudem können diese bei der Visite Einfluss auf die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen nehmen. 

Doch die Realität sieht in vielen Krankenhäusern anders aus: Die meisten Patienten fühlen sich unsicher und haben Angst, ihre Anliegen vorzubringen oder Unklarheiten anzusprechen. Die Visitenzeiten sind nicht immer verlässlich, oftmals warten die Patienten stundenlang auf den Besuch der Ärzte. Die Mehrheit der Ärzte sieht sich gezwungen, durch die strukturellen Begebenheiten die Zeiten bei den Patienten so kurz wie möglich zu gestalten, um anderen Aufgaben innerhalb der Regelarbeitszeit noch nachkommen zu können. Die Zeitnot im Allgemeinen führt auch dazu, dass nicht immer die betreuenden Pflegekräfte bei der Visite anwesend sind und wichtige Informationen zwischen Patienten, Medizinern und Pflegekräften verloren gehen. Dadurch können die Pflegekräfte auf die Fragen der Patienten im Nachhinein auch schlechter eingehen.

Diese Unzufriedenheit auf allen Seiten wird auch durch verschiedene Studien belegt. So zeigt es sich, dass

  • Visiten durchschnittlich nur 3 bis 4 Minuten pro Patient dauern

  • Ärzte durchschnittlich 8 Fragen an die Patienten stellen, umgekehrt jedoch weniger als 2

  • meistens mehr als 3 medizinische Personen an einer Visite teilnehmen

  • mehr als 50 % der Visiten durch Unterbrechungen (Telefon, Notfall, Kollegen, Zimmernachbar, ...) gekennzeichnet sind

  • die Patienten sich nach der Visite an weniger als 20 % des Inhaltes erinnern können

Daraus entsteht ein Teufelskreis vielfältiger Probleme. Wenn die Visiten nach den Anliegen der Ärzte ausgerichtet werden, geht das zu Lasten der Patienten. Oftmals werden dadurch die Gesundheitsprobleme wie auch die Auswirkungen auf die anderen Lebensbereiche des Patienten nicht einmal erkannt. So werden schlimmstenfalls unpassende Maßnahmen verordnet. Des Weiteren haben die Patienten, die sich durch die einseitige Kommunikation und fehlende Interaktion nicht zurechtfinden, kaum die Möglichkeit, sich aktiv im Genesungsprozess einzubringen. Das wiederum führt dazu, dass Ärzte den Eindruck gewinnen, die Patienten würden sich nicht an die Anweisungen halten. 

Aus diesem Grund ist es enorm wichtig, dass die Visiten für alle Beteiligten zufriedenstellend gestaltet werden. Auch die Patienten können aktiv dazu beitragen.

Checkliste Visite – so profitieren Patienten

  • Stellen Sie das Kopfteil Ihres Bettes nach oben – so sprechen Sie auf Augenhöhe mit den Anwesenden

  • Hören Sie zu, was der Arzt und die Pflegekraft zu sagen haben

  • Arbeiten Sie bei Untersuchungen und Maßnahmen im Rahmen der Visite so gut wie möglich mit, sodass die Beteiligten einen umfassenden Überblick über Ihren Zustand bekommen

  • Beantworten Sie die Fragen wahrheitsgemäß. Beschönigen, herabspielen, lügen oder den Tapferen zu mimen kann im schlimmsten Fall zur falschen Therapie führen

  • Wenn Sie etwas nicht verstanden haben, fragen Sie direkt nach. Es wirkt auch dann nicht unhöflich, wenn Sie mehrmals nachfragen, es ist vielmehr Aufgabe des Arztes, eine verständlichere Sprache finden

  • Entscheiden Sie nicht unbedingt alles sofort, sondern nutzen Sie das Gespräch mit Angehörigen und Pflegekräften, denn Sie müssen die endgültigen Maßnahmen tragen

  • Machen Sie sich Notizen oder bitten Sie einen Angehörigen, diese Aufgabe zu übernehmen. Denn dann bleiben Aufträge oder Anordnungen besser im Gedächtnis 

  • Sie dürfen zu jeder Zeit Fragen stellen und auch Kritik äußern. Denn die Krankheit betrifft Sie und Sie müssen mit den Maßnahmen und Therapien zurechtkommen. Daher ist es in jedem Fall wichtig, dass diese für Ihre Lebensumstände passen. In der Regel findet sich immer eine Alternative

Fazit

Als Visite wird der tägliche Besuch des Stationsarztes und der Pflegekraft sowie weiterer Ärzte bezeichnet. Sie dient dem Zweck, das aktuelle Befinden und die Veränderungen des Gesundheitszustandes beim Patienten zu erkennen und gezielte Maßnahmen gemeinsam zu planen.

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