Fibromyalgie: Über Weichteilrheuma

In den Industrieländern leiden zwischen 1 und 2 % der Menschen am sogenannten Fibromyalgiesyndrom.

Meist sind Frauen im mittleren Lebensalter von der chronischen Schmerzerkrankung betroffen. Doch bis es zur Diagnose kommt, haben viele Patienten eine jahrelange Odyssee an Arztbesuchen hinter sich. Denn rein organisch sind die Menschen gesund, doch chronische Schmerzzustände in verschiedenen Körperregionen führen nicht nur zu Bewegungsarmut und Arbeitsausfall.

Auch andere Beschwerden wie Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme oder Depressionen gehen mit der Fibromyalgie einher und schränken den Alltag erheblich ein.

Für gesunde Menschen ist dieses Beschwerdebild oftmals nicht erklärbar, weshalb sich Betroffene noch immer vorwerfen lassen müssen, sie bilden sich die Schmerzen nur ein. Auch hält sich noch immer die Meinung, es gäbe keine adäquate Behandlung bei Weichteilrheuma.

Doch dem ist nicht so. Viele Studien zeigen, dass es erfolgversprechende Behandlungsmethoden gibt, die die Leiden lindern können. Zudem schreitet die Aufklärung in der Bevölkerung immer weiter voran, was die Belastung für die Betroffenen senkt.

Wenn Sie selbst unter Fibromyalgie leiden oder Ihre Schmerzen nicht einzuordnen wissen, sind Sie richtig. Wir informieren in diesem Beitrag über die Ursachen und Symptome von Fibromyalgie, erläutern Behandlungsmethoden und klären über Reha- und Rentenansprüche auf.

 

Was ist Weichteilrheuma? – Definition Fibromyalgie

Die Fibromyalgie, was wörtlich übersetzt Faser-Muskel-Schmerz bedeutet, ist ein Symptomkomplex. Er wird durch chronische Schmerzen insbesondere an Muskeln und Gelenken sowie an der Wirbelsäule hervorgerufen. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Entzündung und es findet auch keine irreparable Schädigung des Gewebes statt.

Durch die Schmerzzustände treten Erschöpfung, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme und andere Beschwerden zu Tage, daher wird in Fachkreisen vom Fibromyalgiesyndrom (also einer Häufung von Symptomen) gesprochen. Auch wenn das Krankheitsbild bereits seit 30 Jahren bekannt ist, gestaltete sich die Therapie in den Anfangsjahren sehr schwierig.

In der Regel erkranken 7 mal mehr Frauen an Fibromyalgie als Männer, der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr.

 

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Welche Ursachen hat Fibromyalgie?

Aufgrund verschiedener Forschungen gehen Wissenschaftler mittlerweile davon aus, dass es sich bei der Fibromyalgie um eine Erkrankung handelt, die durch verschiedene Faktoren hervorgerufen wird.

 

Gestörte Schmerzverarbeitung

Die gestörte Verarbeitung der Schmerzweiterleitung ist ein wichtiger Aspekt bei der Entstehung von Fibromyalgie. Ursächlich ist hier die falsche Interpretation im Gehirn bei äußerlichen Reizen. Normalerweise verarbeitet das Gehirn den Stimuli richtig und speichert die Information ab.

Im Falle der Fibromyalgie hingegen werden schwache Reize als Schmerzen interpretiert.

 

Genetische Faktoren

Gene allein führen nicht zum Ausbruch des Fibromyalgiesyndroms. Vielmehr verhält es sich so, dass bestimmte Genvarianten bei Menschen mit Fibromyalgie häufiger anzutreffen sind als bei gesunden Menschen. Diese ursächlichen Gene sind spielen vor allem bei der Bildung von Botenstoffen eine vorrangige Rolle. Botenstoffe wie Serotonin oder Noradrenalin sind bei der Verarbeitung von Schmerzen beteiligt, sie wirken als Schmerzverstärker.

 

Psychische Belastung und Stress

Psychische Belastungen, Stress und psychische Erkrankungen können die Entstehung von Fibromyalgie begünstigen. In vielen Studien zeigt sich der Zusammenhang beispielsweise zwischen psychischem Stress in Familie oder Beruf und Fibromyalgie. Zudem lässt sich die Koexistenz von Traumata und Fibromyalgie bestätigen. Allerdings entwickeln nicht alle Menschen mit Stress, Belastung oder psychischen Erkrankungen ein Fibromyalgiesyndrom, weshalb dieser Faktor nicht allein kausal gesehen werden kann.

 

Vermutete Ursachen, die ausgeschlossen werden können

Durch zahlreiche Untersuchungen konnte keine Korrelation zwischen Infektionskrankheiten wie Borreliose oder Verletzungen und Fibromyalgie festgestellt werden.

Auch der Zusammenhang zwischen Fibromyalgie und Schilddrüsenerkrankungen, Störungen der Sexualhormonproduktion sowie Erkrankungen der Muskulatur oder Nerven konnte wissenschaftlich widerlegt werden.

 

Ursache nach ICD 10

Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird Fibromyalgie durch physische, psychische und biologische Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen, hervorgerufen. Die Erkrankung ist niemals auf eine Ursache zurückzuführen.

Die medizinische Fachgesellschaft Deutschland definiert daher Fibromyalgie als ein „funktionales somatisches Syndrom“. Dies bedeutet, dass die Erkrankung durch körperliche Beeinträchtigungen gekennzeichnet ist, aber nicht durch Gewebeschädigung verursacht wird.

 

Symptome der Fibromyalgie

Die Symptome sind von Patient zu Patient unterschiedlich. Deshalb unterteilen viele Mediziner das Fibromyalgiesyndrom auch in verschiedene Schweregrade. Alle Formen haben jedoch Schmerz als Leitsymptom.

 

Leitsymptom Schmerz

Wie die Übersetzung bereits besagt, handelt es sich bei der Fibromyalgie um eine Erkrankung, welche durch Schmerzen gekennzeichnet ist. Betroffene berichten häufig von tiefen Muskelschmerzen, die zu Steifheit führen.

Hinzu kommen manchmal auch Symptome wie Brennen, Taubheitsgefühle oder Kribbeln. Bei einigen Patienten schwellen zusätzlich die Gelenke an. Der Schmerz kann sich auf bestimmte Bereiche konzentrieren, zum Beispiel Nacken, Wirbelsäule, Kiefer, Arme oder Beine.

Er kann jedoch auch wandern oder strahlen. Die Schmerzintensität ist durch verschiedene Faktoren wie Wetter, Temperatur, Tageszeit, Aktivität oder Stress positiv oder negativ beeinflussbar.

Viele Menschen, die unter Fibromyalgie leiden, sind auch durch andere Schmerzbilder geplagt. Die Komorbidität von Fibromyalgie und Migräne, Reizdarm-Syndrom oder rheumatischer Arthritis ist hoch.

 

Weitere häufige Symptome: Schlafstörungen und Müdigkeit

Weitere Symptome werden im Fachjargon als „fibro fog“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um Beeinträchtigungen, die durch die Fibromyalgie hervorgerufen oder bei Vorhandensein verstärkt werden. Hierzu zählen vor allem Schlafstörungen und Müdigkeit.

Mehr als 90 % der Betroffenen berichten von Schlafstörungen und Erschöpfungszuständen. Zudem leiden Menschen mit Fibromyalgie häufiger unter Schlafapnoe. Diese Begleiterscheinungen können das sogenannte Fatigue-Syndrom begünstigen. Darunter ist ein chronisches Müdigkeitssyndrom zu verstehen, bei dem jede Art von Schlaf nicht mehr zur Erholung führt.

 

Seelische Aspekte

Die Fibromyalgie geht in den meisten Fällen mit psychischen Beschwerden oder Störungen einher. Besonders häufig leiden Menschen an depressiven Symptomen wie Nervosität, Unruhe, Antriebsverlust und Niedergeschlagenheit. Etwa 30 % der Menschen erkranken im Rahmen einer Fibromyalgie an einer Depression oder Angststörung.

Es wird auch häufig von Regulationsstörungen und Überempfindlichkeit bei Patienten mit Fibromyalgie berichtet. Besonders deutlich verstärken sich die Symptome, wenn Betroffene starken Reizen wie grellem Licht, Lärm oder intensiven Gerüche ausgesetzt sind. Dann reagieren sie mit vegetativen Symptomen wie Zittern, Schwitzen, kalten Fingern, Durchfall oder Bauchkrämpfen.

 

Fibromyalgie Schub oder kontinuierliche Beschwerden

Einige Menschen mit leichten Formen der Fibromyalgie leiden dauerhaft unter diffusen Schmerzen in verschiedenen Körperregionen. Sie sind seltener von anderen physischen oder psychischen Beschwerden betroffen und erleben die Krankheit als nicht so stark belastend.

Andere Betroffene wiederum können die beschwerdefreien Intervalle zwischen Fibromyalgie Schüben nicht genießen, weil sie durch die körperlichen und seelischen Symptome so stark in ihrem Alltag eingeschränkt sind, dass die Lebensqualität darunter leidet.

 

Wie erkennt man Fibromyalgie?

Bei vielen Betroffenen wird die Diagnose „Fibromyalgie“ erst nach vielen Leidensjahren gestellt. Denn die Erkrankung beginnt schleichend und oftmals nur an einer Körperstelle. Zudem lässt sich Weichteilrheuma nicht anhand von Laborwerten oder bildgebenden Verfahren festmachen. Dies führt nicht selten zu Fehldiagnosen und Unverständnis. Oft wird Fibromyalgie erst in einer rheumatologischen Praxis oder in einer Schmerzambulanz festgestellt.

Um einzuschätzen, ob es sich um Fibromyalgie handelt, gibt es verschiedene Verfahren, die sich in den letzten Jahren in der Praxis etabliert haben.

 

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Fibromyalgie Selbsttest – Wann sollten Sie zum Arzt?

Wenn Sie folgende Fragen mit Ja beantworten können, sollten Sie überlegen, sich einem Fibromyalgie Spezialisten vorzustellen.

 

  • Sie haben Schmerzen, die länger als 3 Monate andauern
  • Sie leiden unter Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, an Armen oder Beinen, im Kiefer oder Bauch
  • Sie sind erschöpft, müde und schlafen schlecht
  • Sie leiden unter anderen körperlichen Beschwerden im Bereich des Verdauungs- oder Urogenitaltraktes, unter Migräne oder Taubheitsgefühlen
  • Sie erkennen psychosomatische Beschwerden wie Nervosität, Unruhe, Antriebslosigkeit, Atemprobleme oder Herzrasen

Diagnostik Fibromyalgie

Wenn Sie vermuten, an Fibromyalgie zu leiden, sollten Sie für die Fibromyalgie Diagnostik einen Spezialisten aufsuchen. Dieser ist in der Regel in einer Klinik für Fibromyalgie anzutreffen. Ist im näheren Umkreis Ihres Wohnortes keine solche Klinik, stellt sich die Frage, an welchen Facharzt Sie sich bei Fibromyalgie wenden können.

In der Regel sind Sie gut beraten, wenn Sie sich an einen Rheumatologen oder Schmerzmediziner wenden. Diese sind als niedergelassene Ärzte in Praxen tätig oder arbeiten in Krankenhäusern in speziellen Ambulanzen. Diese Mediziner sind erfahren und können in der Regel durch ein ausführliches Anamnese-Gespräch und eine körperliche Untersuchung erkennen, ob es sich um das Fibromyalgiesyndrom handelt.

Hat ein Mediziner die Diagnose gestellt, sollten Sie sich überlegen, wie Sie weiter verfahren möchten. Fibromyalgie zählt zu den chronischen Erkrankungen, sie ist nicht heilbar, aber beeinflussbar.

 

Verlauf der Fibromyalgie

Viele Betroffene berichten, dass sie bereits im Kindes- und Jugendalter unter diffusen Schmerzerscheinungen gelitten haben. Im Erwachsenenalter sind die Ausprägungen und Phasen der Fibromyalgie sehr individuell.

In einer großen Studie über 10 Jahre ging hervor, dass die Beschwerden bei 35 % der Menschen signifikant gelindert werden konnten. Andererseits erkrankten mehr als 50 % an anderen körperlichen oder psychischen Erkrankungen wie rheumatische Arthritis, Depressionen oder Angststörungen.

 

Fibromyalgie Therapie

Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zum Therapieerfolg

Das Fibromyalgiesyndrom kann sehr belastend sein, da diverse Lebensbereiche betroffen sind. Selbst einfache Tätigkeiten des alltäglichen Lebens können den Patienten durch die Schmerzen alles abverlangen. Auch positive Erlebnisse werden durch die Beeinträchtigungen oftmals überschattet. Zudem fühlen sich viele Menschen mit Fibromyalgie seelisch belastet, da sie weniger belastbar sind und das Gefühl haben, den Verpflichtungen ihrer Rolle nicht gerecht werden zu können. Missverständnisse und Unverständnis können erschwerend hinzukommen. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die Wahrscheinlichkeit, die Beschwerden aushaltbar zu machen und die Lebensqualität dadurch zu erhalten signifikant höher, wenn rechtzeitig eine Therapie begonnen wird. Hierzu stehen verschiedenste Methoden zur Verfügung.

 

Moderne Behandlungsmethoden aus der Schmerztherapie

In der Regel ist die EINE Behandlung meist nicht zielführend, daher ist für Menschen mit Fibromyalgie ein multimodales Therapieprogramm entwickelt worden.

Die meisten Schmerz, Schlaf- und Beruhigungsmittel wie auch Kortison, Massagen oder Injektionen haben sich nicht bewährt und werden daher nicht mehr angewandt. Anders verhält es sich bei systemischen Therapieansätzen.

Effektiv sind beispielsweise:

  • niedrig dosierte Antidepressiva oder Antikonvulsiva zur Schmerzlinderung
  • leichte körperliche Bewegung wie Walken, Schwimmen, Fahrradfahren, Tanzen
  • Wärme- oder Kälteanwendungen
  • Muskelentspannung nach Jakobsen, Autogenes Training, Meditation
  • Psychotherapie zur Krankheitsbewältigung
  • Akupunktur
  • Osteopathie
  • Homöopathie

 

Ernährung

Eine wissenschaftlich gesicherte Ernährungsweise oder Diät, um die Symptome der Fibromyalgie zu lindern, gibt es bisher nicht. Allerdings existieren bereits Doppelblind-Studien, die eine Beschwerdelinderung durch gezielte Ernährungsumstellung bestätigen.

Hintergrund ist eine Verringerung des oxidativen Stress. Dabei handelt es sich um die Reduktion der aggressiven Sauerstoffatome im Körper.

Herbeizuführen ist dies beispielsweise mit:

  • vegetarischer oder veganer Kost
  • wenig Fetten, Zucker, Alkohol, Kaffee und Schokolade
  • viel Tryptophan

 

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Reha

Sind die Symptome stark ausgeprägt und die Beeinträchtigungen im Alltag schwerwiegend, so empfiehlt es sich, für eine multimodale Therapieeinleitung in eine Rehaklinik für Fibromyalgie zu gehen. Dort werden körperbezogene, physikalische und schmerzlindernde Verfahren mit Entspannungstraining und Psychotherapie kombiniert, um die Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu steigern. Im Rahmen der Rehamaßnahme für Fibromyalgie lernen die Betroffenen Verfahren und Methoden, die sie zu Hause eigenständig bei Schmerzzuständen anwenden können.

Zu den gängigen Therapiemaßnahmen in Fibromyalgie Rehakliniken gehören unter anderem:

  • Patientenschulung
  • Beratung (auch hinsichtlich Rente bei Fibromyalgie)
  • Verhaltenstherapie
  • Entspannungstherapie
  • Pharmakologische Beratung
  • Physikalische Maßnahmen

 

Fazit

Fibromyalgie ist eine chronische Erkrankung, die einerseits durch dauerhafte Schmerzen im Bereich der Muskeln und Gelenke gekennzeichnet ist, andererseits aber auch mit Schlafstörungen, Angstzuständen oder körperlichen Beeinträchtigungen einhergeht.

Eine kausale Therapie gibt es nicht, jedoch ist es möglich, dass Betroffene in einer multimodalen Behandlung lernen, mit der Krankheit zu leben. Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken, Bewegung und physikalische Maßnahmen haben sich bei der Therapie von Fibromyalgie bewährt, anders als Schmerz- oder Schlafmittel.

 

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